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Russlands Präsident und Europa-Schreck Wladimir Putin.

© AFP

Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Letzte Chance für die Diplomatie in Genf

Mit dem drohenden Einmarsch in die Ostukraine ist endgültig deutlich geworden, dass Putin kein Partner mehr sein will. Der Westen kann der Ukraine militärisch nicht helfen. Eine Mitgliedsperspektive für die Europäische Union aber gibt es sehr wohl.

Bei der Kriminalprävention stellt man sich die Frage, wie ein potentieller oder vielleicht schon einmal auffällig gewordener Gewalttäter an einem Übergriff oder gar an einer Wiederholungstat gehindert werden kann. Darf man mit Einsicht rechnen? Helfen psychologische und andere Hilfestellungen, oder funktioniert am Ende nur die glaubhafte Androhung massiver Sanktionen gegen jemand, der sich in die Gemeinschaft partout nicht mehr einordnen will?

Im Umgang mit dem Russland Putins ging der Westen bis vor wenigen Monaten noch davon aus, dass reine Nützlichkeitserwägungen die beste Basis für ein gedeihliches Miteinander sind. Wenn beide Seiten vom freien Handel und vom fairen Umgang miteinander profitieren, so die Überlegung, ist das die beste Gewähr, dass keiner den erreichten Wohlstand riskiert. Mit der Annektierung der Krim hat Wladimir Putin einen Strich durch diese zugegeben auch etwas blauäugig-pazifistische Rechnung gemacht.

Putin hat eine Stufe nach der anderen auf der Eskalationsskala überschritten

Mit dem drohenden Einmarsch in die Ostukraine und der fortschreitenden Destabilisierung der ukrainischen Autoritäten dort ist endgültig deutlich geworden, dass er kein Partner mehr sein will. Es ist Zeit, über die Konsequenzen nachzudenken, wenn den paramilitärischen, pro-russischen Einsatzkräften ohne Hoheitsabzeichen vielleicht schon heute ganz offiziell russische Soldaten folgen sollten. Putin hat, Schritt für Schritt, eine Stufe nach der anderen auf jener Eskalationsskala überschritten, die Militärstrategen wie Diplomaten benutzen, um die Dramatik von Krisensituationen abschätzen zu können. Verbalen Drohungen folgten Provokationen durch eingeschleuste Zivilisten.

Zum Psychoterror kommt Gewalt in Einzelfällen. Bewaffnete ohne Nationalitätenkennzeichen tauchen plötzlich auf, der Einmarsch von Truppen auf der Krim war die höchste Eskalationsstufe. Andauernde Truppenmassierungen an der Ost- und Nordgrenze der Ukraine verunsichern deren Regierung. Auch hier droht der Einmarsch. Es handelt sich eben nicht, wie Moskau behauptet, um westliche Luftaufnahmen längst vergangener Manöver, nein, hier findet überhaupt kein Manöver statt, hier warten Luft- und Landstreitkräfte im Bereitstellungsraum auf den Einsatzbefehl.

Der Westen kann der Ukraine nicht militärisch helfen. Aber er muss, zum einen, über die Nato den ost- und südeuropäischen Staaten, die zum Bündnis gehören, deutliche Unterstützungssignale geben. Und er muss, wirtschaftlich, der Ukraine Hilfsangebote weit über die jetzt angebotene Milliarde hinaus machen. Eine Nato- Perspektive für die Ukraine gibt es nicht, eine Mitgliedsperspektive für die Europäische Union sehr wohl. Die muss ausgesprochen werden.

In Genf wird sich zeigen, ob es noch eine Chance für Diplomatie gibt

Die Ukraine selbst schickt nach Russland jetzt – spät – all jene Verhandlungsangebote, die Entgegenkommen signalisieren: eine föderale Struktur des Landes, die seiner Unterschiedlichkeit ohnedies besser als der heutige Zentralismus entsprechen würde; ein Referendum, das die weitgehende Autonomie absichern könnte. Für Donnerstag sind in Genf Gespräche zwischen den Konfliktparteien geplant, um die Chancen einer friedlichen Lösung auszuloten. Wie es aussieht, ist das die letzte Hoffnung auf eine russische Rückkehr zur Diplomatie.

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