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Meinung: Konjunktur: Drang zur Bewegung

Buchstäblich kein Tag vergeht, an dem es nicht Ratschläge oder Forderungen an den Bundeskanzler gäbe, wie die Konjunktur zu beleben sei. Das ist insofern nicht weiter erstaunlich, als Kompetenz in Wirtschaftsfragen aus zwei Gründen herausragend wichtig ist: einmal wahltaktisch für die Parteien, zum anderen für die Bundesrepublik als größtes Industrieland in Europa.

Buchstäblich kein Tag vergeht, an dem es nicht Ratschläge oder Forderungen an den Bundeskanzler gäbe, wie die Konjunktur zu beleben sei. Das ist insofern nicht weiter erstaunlich, als Kompetenz in Wirtschaftsfragen aus zwei Gründen herausragend wichtig ist: einmal wahltaktisch für die Parteien, zum anderen für die Bundesrepublik als größtes Industrieland in Europa.

Deshalb aber wirkt es, andererseits, umso überraschender, wie Gerhard Schröder an seiner These festhält, dass es ihm nur nutzen werde, ruhig zu bleiben. Auf diese Weise erweckt er einen Eindruck, mit dem sein Vorgänger Helmut Kohl zum Schluss zu kämpfen hatte: Dass er die Probleme sieht, zwangsläufig in seinem Amt, sie aber aussitzt. Und was Schröder wie vor ihm Kohl als Nervenstärke darzustellen bemüht ist, vielleicht doch einfach nur Einfallslosigkeit oder Scheu vor Bewegung ist, vor falscher Bewegung, die Wähler kosten könnte. Dabei ist Schröder zum Kanzler gewählt worden, gerade weil er Bewegung versprach, Handlungsfähigkeit und Entscheidungsfreude.

Schröder kann diese Linie zurzeit halten, weil er in seinen Reihen keinen vom Gewicht eines Wolfgang Schäuble hat, der ihm - wie der damalige Fraktionschef der größten Regierungsfraktion seinem Kanzler - weitere Reformen abverlangt; zu spät, wie sich im Nachhinein zeigt. Weil manche das in der SPD ähnlich sehen, in der Riege der Ministerpräsidenten zum Beispiel der Niedersachse Sigmar Gabriel, in der Bundestagsfraktion die jungen Abgeordneten, ergibt sich gegenwärtig eine seltsame große Koalition mit oppositionellen Unionspolitikern. Übereinstimmend fordern sie den Kanzler zum Handeln auf.

So unterschiedlich, wie die jeweiligen Gründe und Ratschläge sind, sie erzeugen doch dauerhaft Druck auf Schröder. Und mag der auch kein Konzeptionist sein, keiner, der langwellig plant, weiß er doch, dass es ihm nicht gelingen kann, über anderthalb Jahre hinweg ohne Bewegung zum Ziel zu kommen, zur Wiederwahl. Der Kanzler wird es nicht schaffen, alle erdenklichen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung zum Tabu zu erklären, höhere Verschuldung, höhere Verbrauchssteuern, niedrigere Staatsausgaben, niedrigere Steuern. Für die Reform-SPD, die unruhig wird, bedeutet das: Sie muss die Zeit bis zu Schröders Entscheidung, was genau er tun wird, aushalten. Und aussitzen.

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