zum Hauptinhalt
Guido Westerwelle winkt schon mal. Zum Abschied als FDP-Chef? Sein Nachfolger könnte Christian Lindner heißen.

© dapd

Kontrapunkt: Christian Lindner - Der neue Guttenberg?

Guido Westerwelle wird nicht die Antwort auf eine Zeit sein, die vor allem eines verlangt: pragmatische Lösungen. Aber ist Christian Lindner wirklich der Richtige für die FDP? Oder droht ihm womöglich ein ähnliches Schicksal wie Ex-Verteidigungsminister Guttenberg?

Manchmal sind kleine Wahlerfolge auch große Hürden. Die FDP muss dieses Dilemma zur Zeit durchleben. In Rheinland-Pfalz ist die Sache klar: Dort hat die FDP haushoch verloren und ist aus dem Landtag geflogen. In Baden-Württemberg dagegen hat sie nur verloren. Mit ein paar Nullkomma Prozentpunkten ist sie gerade so noch in den Landtag gerutscht und hat damit zwar einerseits Schlimmeres verhindert, nämlich das Verschwinden der Liberalen in die baden-württembergische Bedeutungslosigkeit. Andererseits hat ihr das Ergebnis nun eine recht verschämte Führungsdebatte eingebrockt. Mit einer Niederlage wäre die Gefechtslage deutlicher. Weder für Birgit Homburger, die Fraktions- und Landeschefin, noch für Parteichef Guido Westerwelle hätte es dann ausreichend Gründe für ein Weitermachen gegeben. Auch wenn es aus Westerwelles Umfeld noch vor Schließung der Wahllokale hieß, dass er "unter keinen Umständen" zurücktreten werde, hätte eine solche Pleite eine schnelle Eigendynamik entfaltet.

So aber muss die FDP mit diesem kleinen Sieg nun umgehen. Und sie tut sich schwer. Der eine verkündet die totale Atomwende, die anderen wollen davon noch nichts wissen. Da kämpfen die Jungen mal gegen mal mit den Alten. Und einer schaut aus der Ferne zu: der Chef. Wahrscheinlich sogar gelassen. Denn am Montag, wenn sie alle wieder zusammensitzen wird sich wohl keiner gefunden haben, der den Brutus spielt. Und das ist auch nachvollziehbar. Denn hinter allem steht die Frage: Wofür und vor allem für wen?

Da kann man fast ein wenig Mitleid haben. Denn das politische Umfeld ist ungünstig für die Liberalen. Es ist die Stunde der Pragmatiker in Deutschland. Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg ist kein Ideologe. Olaf Scholz in Hamburg ist es nicht. Und Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt erst recht nicht. Und die Bundeskanzlerin? Sie bewegt auch keine Idee oder ein Prinzip. Sie ist geleitet von der praktischen Frage: Wie sicher ich meine Macht? Eine besondere Form des Pragmatismus. Solidität zählt in einer Zeit der Ungewissheit. Was kann sich Deutschland noch leisten? Welche internationalen Partner haben wir? Wohin geht es mit dem Euro? Wie bewältigen wir den demografischen Wandel? Es sind grundsätzliche Fragen, die sich stellen. Und viele Menschen wollen nicht nur inhaltliche Antworten, sondern auch verlässliche Antwortgeber. Und wie stillt die FDP dieses Bedürfnis? Mit Guido Westerwelle wohl nicht mehr. Er war wichtig für die Zeit, als es um einen Aufbruch ging. Um einen neuen Lautstärkepegel.

Es ist nun die Zeit der ruhigeren Töne. Sarrazin als neuer Lautsprecher passt da wohl nicht ganz. Aber ist Christian Linder die passende Antwort? Sind nicht Philipp Rösler oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die, die weniger schillern, mehr Verlässlichkeit ausstrahlen? Nun, Lindner kann leise. Er kann tiefgründig. Er kann aber auch messerscharf. Jung und modisch ist er. Sicher einer, für den der Parteivorsitz nicht zu groß ist. Aber er muss aufpassen. In seinen politischen Genen steckt auch eine Spur Guttenberg. Er könnte schnell zum neuen Popstar des politischen Betriebs werden.

Und wie das so im Pop ist: der funktioniert schnell und direkt. Insofern ist es für die FDP auch eine große Versuchung, ihn nun in das Amt zu drängen. Wirklich klug wäre es aber nicht. Nicht nur, weil Pop sich schnell verbraucht. Sondern auch, weil Lindner zurzeit etwas erarbeitet, das die FDP mindestens so dringend benötigt, wie einen anderen Chef: ein neues Grundsatzprogramm, ein neues Selbstverständnis. Denn nicht die eigenen Ideale, der Gedanke der Freiheit, sind außer Mode. Wohl aber die Art, wie die FDP sie zurzeit ausformuliert. Als Generalsekretär kann er der Partei jene Handschrift verleihen, die ihn dann als Parteichef auszeichnet. Und seine Zeit wird kommen: Spätestens dann, wenn Pragmatismus und Verlässlichkeit wieder Langeweile heißen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false