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Dilek Kolat will die Zahl der Arbeitslosen in Berlin auf unter 200 000 senken.

© p-a

Kontrapunkt: Der nächste Klaus Wowereit ist eine Sie

Auf dem SPD-Landesparteitag am Wochenende hat Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat nicht kandidiert - und doch gewonnen. In Zukunft wird die Partei an gut ausgebildeten Frauen mit einem Draht in die türkische Community nicht vorbeikommen. Dilek Kolat ist der nächste Wowereit.

Sein Selbstbewusstsein ist unverändert – nur die Lage ist es nicht. Denn Klaus Wowereit hat als Regierender Bürgermeister nicht nur mit ansehen müssen, wie ihm der über ein Jahrzehnt vertraute und vertrauende SPD-Landesvorsitzende abhandenkam, damit einhergehend auch noch der, von dem es immer hieß, er könne oder wolle sein Nachfolger werden. Wowereit hat die Lage auch insofern selbst verändert, als er das Schicksal Michael Müllers nicht mit seinem verknüpfte, als letztes Mittel. Weshalb jetzt ein weithin eher unbekannter Linker ohne Regierungsamt und Mandat dem Regierenden den Rücken, ja, was eigentlich: frei halten soll? Für die Beurteilung der aktuellen Lage spielt übrigens keine tragende Rolle, dass Wowereit in der Bundesführung der SPD immer eher den Linken zugerechnet wurde.

Ja, so enorm verändert ist die Lage seit dem jüngsten SPD-Landesparteitag, dass Wowereit, König Klaus, der „Beste seit Willy Brandt“, vielleicht doch bald dämmern wird, dass alles seine Zeit hat. Diese Erfahrung machten und machen ja auch schon andere führende Politiker, die so lange im Regierungsamt sind wie er; nehmen wir als ein Beispiel Kurt Beck in Mainz. Darum wird es spannend anzusehen sein, wie sich die SPD hier in Berlin noch rüttelt und schüttelt. Auch dafür, wie es nach Zäsuren solcher Art weiterging, gibt es Beispiele in anderen Landesparteien. Jedenfalls reichten Spott oder Ironie, wie auf dem Parteitag der SPD-Berlin zu vernehmen, nie, um die Kräfte wieder zusammenzubringen.

Jan Stöß, der Mann nach Müller im Landesvorsitz, wird seine Position zu festigen versuchen, und zwar von außerhalb des Abgeordnetenhauses. Konflikte sind damit programmiert, erst recht, wenn nun der ebenfalls linke Fraktionschef Raed Saleh, geboren 1977 im Westjordanland, seine Chance kommen sehen sollte, mehr anzustreben, sei es auch nicht von heute auf morgen. Saleh als Regierender der Zukunft?

Sehen Sie hier eine Bildergalerie zum Machtkampf in der Berliner SPD:

Das wird das verbliebene, nennen wir es Müller-Lager, in der Landes-SPD verhindern wollen. Und da passt nun diese Überlegung: Im Senat sitzt inzwischen eine der langjährigen Wortführerinnen der Linken, Dilek Kolat. Zuletzt hat Kolat, zuständig für Integration, Arbeit und Soziales, sehr für den Senatskollegen Müller als Landeschef geworben. Das ist über alle Flügel hinweg verzeichnet worden. Sie ist somit die einzige wirkliche Gewinnerin. Ihr politisches Profil passt auch deshalb unter allen Umständen auf jemanden, dem man für die Zukunft mehr in dieser Stadt zutraut.

Die in der Türkei geborene und in Neukölln aufgewachsene Kolat, Jahrgang 1967, ist bestens integriert, hervorragend vernetzt, sehr gut ausgebildet. Ihr Mann, Kenan Kolat, sitzt der türkischen Gemeinde in Deutschland vor. Sie ist studierte Wirtschaftsmathematikerin, politisch in Tempelhof-Schöneberg im wahren Wortsinn groß geworden mit herausragenden Wahlergebnissen, auch respektiert beim politischen Gegner und heutigen Koalitionspartner. Dilek Kolat hat den Teil Finanzen im Koalitionsvertrag mit dem heutigen CDU-Fraktionschef Florian Graf verhandelt, versteht als ehemalige Depotmanagerin in einer Bank etwas von der Sache, wie sich schon in der Zeit im Vermögens-Unterausschuss und im Hauptausschuss gezeigt hat.

Kolat selbst sagt, dass sie ein „Vorbild“ für Migranten sein will. Sie will sich nur nicht darauf reduzieren lassen. Das wiederum fügt sich gut ein in die bundespolitische Sicht. In der Bundesparteiführung ist Wowereit Vize mit dem Bereich Integration; zusätzlich achtet die Partei nicht erst angesichts der erneuten Quotendebatte auf die Förderung von Frauen. Vor diesem Hintergrund wird Dilek Kolats Arbeit interessiert verfolgt, allerdings wird sich aktuell keiner aus dem Willy-Brandt-Haus dazu öffentlich vernehmen lassen.

Das wirkte auch eher karrierehinderlich. Jede Form von Ratschlag der Zentrale kommt in den Landesverbänden gemeinhin nicht gut an, besonders in Berlin würde er aber in der gegenwärtigen Lage ganz gewiss als ungehöriger Schlag empfunden.

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