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Kontrapunkt: Die Guten in Griechenland müssen kämpfen

Vom hehren Bild der frommen Hellenen müssen wir uns verabschieden. Nur die jungen Menschen in Griechenland können auch nichts für die Lage in ihrem Land. Es ist Zeit für Verständnis.

In der griechischen Tragödie muss jetzt mal Schluss sein mit der Lamentation. Jedenfalls wünschte man sich das doch sehr, und zwar auf allen Seiten, hier in Deutschland wie in Hellas, wo die Menschen – verständlicherweise – nicht wirklich wahrhaben wollen, was wahr ist: dass ihr Land alles geben muss, um sich auch selbst zu retten.

Auch für alle Seiten gilt, für Europa insgesamt gilt, dass wir uns verabschieden müssen von dem hehren Bild der frommen Hellenen. Dass sie als die Quasi-Erfinder der Demokratie schon wissen, was Not tut zur Erhaltung des Kontinents einer politisch bisher nie gekannten Einigkeit mit Recht und Freiheit.

Vorbei, das ist Romantizismus, durch nichts mehr gerechtfertigt; im Gegenteil, man  möchte mal denjenigen Politikern begegnen, die sich seinerzeit den Eintritt in die Euro-Gemeinschaft erschlichen haben. Da wird auch die schöne Europa rot vor Zorn.

Und wieder andererseits kann das gemeine Volk, können vor allem die jungen Menschen wenig dafür, dass Griechenland heute so dasteht. Sie, die um ihre Zukunft bangen müssen, haben die, die sie verspielt haben durch Nichtstun oder Korruption oder Destruktion nicht gewählt. Um die Jungen muss es jedem Leid tun, selbst denen, die an ihnen am liebsten ihr Mütchen kühlen würden.

Verständnis muss sein, Verständnis kann es geben – bei einem Blick auf die Zahlen, um die es im Hier und Heute geht. Griechenland muss seine Neuverschuldung bis 2015 drastisch senken, und das um einen Betrag, der 16,1 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes, genannt Bruttoinlandsprodukt (BIP), entspricht. Würden wir Deutsche sparen müssen wie die Griechen, müsste die Bundesrepublik nach sechs Jahren einen um 400 Milliarden Euro verbesserten Haushalt vorlegen.

Unvorstellbar? Noch ja, noch geht es uns Gold. Aber wenn der Euro-Rahmen auseinander bräche, was würde dann aus unseren schönen Exporten, unserem schönen Aufschwung? Genau – nichts mehr, oder zumindest wenig bis nichts. Ach, und eh wir es vergessen: Eine Stadt wie Oberhausen, nur mal als Anhaltspunkt, steht nach Expertenbericht mit 1,98 Milliarden Euro in der Kreide. Und das ist nur Oberhausen. Wenn in Deutschland so wie in Griechenland gespart werden müsste, dann wären auch bei uns die Straßen mit Empörten voll.

Das Demonstrationsrecht ist in einer Demokratie heilig. Insofern sind die Proteste in Griechenland auch der Ausweis einer lebendigen Demokratie. Aber es müssen die Kräfte des Landes schon auch ins Positive gewendet werden, gebündelt werden, und das ist Sache der Politik (immer wieder stößt man bei solchen Beschreibungen aufs alte Griechenland…). Nur scheint die dazu nicht in der Lage zu sein, und deshalb kann es passieren, dass sich die Kräfte im Land gegen das Land selbst richten, anarchisch geradezu. Wenn Menschen noch 400 Euro Pension beziehen, wenn der Durchschnittsverdienst 1200 bis 1500 Euro brutto beträgt, wenn die Menschen nicht mehr wissen, wie sie leben sollen, wovon, außer durch Hilfe vom anderen, dann sind das vorrevolutionäre Zustände.

Dem müssen die Europäer gemeinsam  begegnen, mit einer Demonstration der Solidarität. Für die deutschen Banken würde es nach Lage der Dinge nicht so schlimm, für die EZB schon schlimmer – aber es geht ja auch nicht ums Geld allein. Die deutsche Regierung, zum Beispiel, könnte Berater schicken, die EU auch, denn Beamte hat sie genug, die der Regierung bei der Bewältigung technisch helfen. Offenbar fehlt ja schon Expertise für ein anständiges Steuersystem. Ein Theo Waigel als Consultant – warum nicht? Deutschland hat außerdem mit der Treuhandanstalt Erfahrungen im Versilbern von staatlichen Betrieben und Staatsvermögen allgemein gesammelt. Also, Birgit Breuel, übernehmen Sie!

Griechenland, Mutterland der klassischen Demokratie, braucht ein modernes demokratisches Fundament. Deutschland, das moderne, das demokratische, das krisenerprobte, kann helfen. Wenn das nicht auch ein Wink des Schicksals ist: „Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen“, sagt Platon. Manches gilt eben doch heute noch.

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