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Angela Merkel und Guido Westerwelle machen eine freundliche Miene, doch wie sieht es hinter den Fassaden der Kaoltion aus?

© dpa

Kontrapunkt: Die Koalition braucht einen Befreiungsschlag

Die Regierung braucht einen Befreiungsschlag, der deutlich macht: Wir sind die Handlungsfähigen. Es fehlt ein finanzpolitischer Plan, denn über Wahlen entscheidet nicht zuletzt, was die Bürger in der Tasche haben.

Es wird Zeit für einen Befreiungsschlag. Doch, doch, die Koalition braucht ihn. Und es muss einer sein, der Aufsehen erregt, der deutlich macht: Wir sind noch da, und wir sind die Handlungsfähigen. Denn in Deutschland herrscht Wahlkampf, fast das ganze Jahr, so eine Art Zwischenzeugnis wird ausgestellt, nur mit dem Unterschied, dass in manchen der sieben Länder die Versetzung gefährdet ist. Union und FDP könnten mehr verlieren als bloß ein paar Prozentpunkte, sie könnten weiter an Glaubwürdigkeit und Reputation als Koalitionäre einbüßen, denen man zutraut, dass bei ihnen das Regierungsgeschäft in den besten Händen ist.

Darum, vor allem darum schauen immer wieder Christdemokraten und Liberale, ob sich nicht doch etwas machen ließe auf dem Gebiet der Finanzen. Altkanzler Helmut Kohl hat in vielem geirrt, aber in einem immer richtig gelegen: Über Wahlen entscheidet nicht zuletzt, was die Bürger an „Bimbes“, wie er es nannte, also Geld, in der Tasche haben. Wer kann schon von selbst verstehen, wenn es heißt: Überall ist Aufschwung, nur für dich nicht. Das wird nämlich in einem Maß als sozial ungerecht empfunden, dass es sogar die Debatte um Kommunismus, Sozialismus, demokratischen Sozialismus oder was auch immer die Linke gerade umtreibt, berührt und ungewollt abwanderungswillige Wähler zu ihnen zurücktreibt, trotz der Gespenster, die da umgehen.

Am Gelde hängt doch alles – somit auch am Finanzminister, dem Schatzkanzler, dem Vetominister der Regierung, der alles blockieren kann, aber eben auch alles befördern. Die Last, die er trägt, ist gewaltig. Einerseits soll Wolfgang Schäuble die Staatsfinanzen schnell gesunden lassen, damit nachfolgenden Generationen trotz der weltweiten Krise nicht zuviel aufgebürdet wird, andererseits soll er aber die Wachstumskräfte weiter mobilisieren helfen, in der Wirtschaft und bei den Wählern, für die Koalition. Er scheint sich entschieden zu haben: Sparen geht vor, konsolidieren auch. Und Steuervereinfachungen oder -erleichterungen, je nach politischer Lesart, gelten auch nicht rückwirkend, wenn sie den Haushalt belasten.

Wenn Schäuble sich einmal entschieden hat, dann ist er überzeugt davon, recht zu haben. In diesem Fall bringt er, was die Steuerfrage angeht – in der es auf den beiden Seiten unterschiedliche Erinnerungen an das Vereinbarte gibt – aber nicht allein die Koalition in Nöte, sondern auch sich selbst. Dass führende Liberale ungeduldig mit ihm werden oder sind, gehört gewissermaßen zur Folklore dieses Bündnisses; das allerdings führende Christdemokraten es auch werden, ist in seiner Bedeutung nicht mehr zu unterschätzen. Fehlt nur noch, dass gestreut wird, Schäuble sei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Oder dass einer mal öffentlich Peer Steinbrück, dem Sozialdemokraten, hinterher weint.

Zwischen recht haben und recht bekommen liegt ja bekanntermaßen oftmals ein Graben. Das ändert Stoizismus oder ungerührtes Beharren auf der eigenen Position nicht notwendigerweise. Eher hilft in diesem Fall ein bezwingender (finanz-)politischer Plan. Bleibt der aus in den kommenden Wochen, kann es sein, dass der 27. März und der Wahlausgang in seinem Heimatland Baden-Württemberg nicht allein für die FDP von wegweisender Bedeutung ist, sondern auch für Wolfgang Schäuble. Wechsel innerhalb der Bundesregierung wären aber nun gerade nicht die Art Aufsehen, das die CDU, voran die Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende, erregen will.

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