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Mit 15 an die Uni? Von dieser Vorstellung sollte man sich schleunigst wieder verabschieden.

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Kontrapunkt: Ein Lob der Faulheit

Nicht mehr fürs Leben, sondern für den Lebenslauf wird heutzutage gelernt, und das von Anfang an. Tilmann Warnecke findet das pervers und rät der Jugend in seinem Kontrapunkt stattdessen zu mehr Gelassenheit bei der Karriereplanung.

Mit 15 an der Uni - das gehört doch fast noch in die Kategorie "Kinderuni". Von dieser Vorstellung sollte man sich schleunigst verabschieden. Denn immer häufiger kommen Minderjährige an die "richtige" Uni, die verkürzte Gymnasialzeit und die vielen Schnellläuferklassen machen es möglich. Die Generation Superschnell drängt in die Hörsäle.

Warum der Staat ein Interesse daran hat, seine Kinder durch die Bildungssysteme zu hetzen, liegt auf der Hand, besser gesagt: auf dem Staatskonto. Schüler, die ein Jahr weniger zur Schule gehen, kosten weniger Geld. Absolventen, die früh ins Arbeitsleben starten, zahlen mehr Steuern. Wenn sie dann auch noch bis 67 arbeiten, zahlen sie umso mehr Steuern. Ob Jugendliche mit 15, 16 oder 17 reif für die Uni sind, ob die Unis reif für 15-, 16- oder 17-Jährige sind, interessiert da nur am Rande. Wird schon klappen, und zur Not gibt es ja die psychologischen Beratungsstellen.

Die U-18-Uni steht so auch für die Beschleunigung der Welt. Die macht vor Kindheit und Jugend nicht halt, sondern erfasst sie im Gegenteil ganz besonders. Das Kind kann mit zwei nicht richtig sprechen? Höchste Zeit für den Logopäden! Mit drei folgt Englisch in der Kita, mit fünf die Einschulung, mit 14 die ersten Praktika, mit 17 die Uni, mit 21 der erste Job. In dem Alter wussten früher viele immer noch nicht, was sie überhaupt studieren sollen, geschweige denn, was danach kommt.

Nicht mehr fürs Leben, sondern für den Lebenslauf wird heutzutage gelernt, und das von Anfang an. Das Gefühl, eine perfekte Vita vorweisen zu können, treibt schon Jugendliche an. Viele machen sich Gedanken, welche Kurse sie in den Ferien belegen können, damit sie später einen Vorteil im Berufsleben haben. Mit Verlaub: Das ist pervers. Nicht dass die Jugendlichen selbst etwas dafür können. Die Erwachsenenwelt macht ihnen weis, es ginge nicht anders. An kaum einem Punkt wie dem Umgang mit unseren Kindern zeigt sich, wie sehr wir unser gesamtes Leben inzwischen der Arbeitswelt, den vermeintlichen Bedürfnissen der Wirtschaft untergeordnet haben.

Entschleunigung tut daher not. Ein Lob der Langsamkeit und der Faulheit! Kinder, gammelt wochenlang in den Ferien rum! Oder zumindest in den letzten Tagen, die euch in den Sommerferien noch bleiben! Sucht euch komplett sinnlose Hobbys! Aus Leuten kann auch noch etwas werden, wenn sie nicht schon mit 14 ihre Karriere planen.

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