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Kontrapunkt: Europäer, in die Produktion!

Die Krise ist noch lange nicht vorbei – das reden wir Bürger uns nur gerne ein. Wir werden weiter reformieren müssen. Und die – im Vergleich – geringe Summe von bisher real ausgegebenen 15 Milliarden für Europa sollte uns nicht reuen.

Es ist noch lange nicht vorbei. Lange nicht. Die Krise mag ja eingedämmt worden sein, oder vielmehr: sie wird es immer wieder aufs Neue. Aber vorbei ist es nicht. Das reden wir uns nur ein, weil wir, die Bürger, der Souverän, uns angewöhnt haben zu glauben, dass Politik so ist: heute beschlossen, morgen verwirklicht. Nein, so ist sie eben genau nicht. Sie ist nicht schwarz oder weiß, sondern ein mühseliger Prozess, wenn etwas verändert werden soll. Die Farbe, die dazu passt, ist eher Grau.

Seien wir ehrlich zu uns, wenn schon die Politik, vor allem die regierungsamtliche, alles lieber ein bisschen im Unklaren lassen möchte: Griechenland, zum Beispiel, braucht bis zu 20 Jahre, um sich neu zu erfinden, die Wirtschaft aufzubauen, Strukturen zu schaffen, die den Staat tragen. Bis heute ist in dieser Hinsicht viel zu wenig passiert. Griechenland ist, so gesehen, ein Entwicklungsland.

Das ist die bisher nicht gezogenen Bilanz. Die Statistiken (nicht die griechischen) weisen es aus. Die Gruppe der Reichen und Ultrareichen, zahlt die jetzt Steuern? Werden die Steuern überhaupt, wie es nötig wäre, eingezogen? Die Liste ließe sich verlängern und verlängern. Aber das führt nicht weiter. Weiter führt nur Wachstum, und zwar europaweit. Jawohl, ganz Europa muss etwas für Wachstum tun. Nur: Wie geht das? Angenommen, es gäbe das Geld, sagen wir: durch Vermögensteuer, Erbschaftsteuer. Was wird dann gefördert, damit es nachhaltig wirkt? Wobei der Zauberwort dabei „nachhaltig“ ist. Also, Olivenproduktion in Griechenland wird es nicht sein, Solarpaneele sind es schon eher. Aber das alles reicht nicht.

Spanien braucht – bei 24 Prozent Arbeitslosigkeit – bis 2014 rund 350 Milliarden Euro, Italien 670 Milliarden neuer Kredite, um alte abzulösen, Frankreich will Konjunkturprogramme in Höhe von 120 Milliarden … So sieht die Anforderung aus, und das ist nur ein Ausschnitt. Er zeigt allerdings gut die Dimension dessen, was zu bewältigen ist. Ein Problem.

Tagesspiegel-Meinungschef Malte Lehming über Merkels Euro-Rettungsstrategie:

Das Problem heißt auch: De-Industrialisierung. Großbritannien braucht wohl noch etwa zehn Jahre, um die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten, Spanien 15, Griechenland länger. Und ganz allmählich setzt sich die Erkenntnis (wieder) durch, dass das Leben nicht nur virtuell ist, nicht nur mit Dienstleistung gefristet werden kann. Warum ist Deutschland führend im Maschinenbau? Weil er gebraucht wird! Weil er sich rechnet. Nicht zuletzt für den Export. Chinesen und Inder, insgesamt drei Milliarden Menschen, und nicht nur sie wollen immer mehr konsumieren, und das ist mit Fasslichem verbunden, mit Autos, Kühlschränken, anderem. Immer noch. Immer wieder. Produktion, intelligente, innovative, ökologische – das ist förderungswürdig. Und zukunftsträchtig.

Nein, nicht nur Griechenland ist das Problem – Europa ist es. 80 Prozent der Hunderte von Milliarden Dollar des Internationalen Währungsfonds (IWF), der mit Geld zur Not die Welt retten soll, hängen jetzt mit Europa zusammen. Der IWF wird deshalb mehr von Europa verlangen, und damit von den Deutschen. Die „roten Linien“ der Angela Merkel, die sie immer wieder zieht – sie sind nur so viel wert, wie Europa an Wert hat. Heißt: Wir sind alle Griechenland. Mehr oder weniger.

Darum werden wir Deutsche weiter reformieren müssen, klar, an unserem Defizit arbeiten, auch klar – damit wir zahlen können, ohne dass wir, auf deren Schultern die EU ruht, wir, der Atlas Europas, unter der Last einknicken. Oder zusammenbrechen. Ja, es klingt viel. Ein kleiner Trost soll sein, dass Deutschland ohne Substanzverlust 1500 Milliarden Euro für seine Einheit aufgebracht hat – und nun schauen wir auf, beispielsweise, Sachsen. Eine Erfolgsgeschichte. Das hat sich gelohnt, oder? Die – im Vergleich – geringe Summe von bisher real ausgegebenen 15 Milliarden für Europa sollte uns deshalb nicht reuen. Und in aller Bescheidenheit: Es gibt ein Modell für Europa. Vielleicht sollten sich die anderen einmal in unseren Länderstaaten informieren. Das ist übrigens auch besser, als in nationales Haushaltsrecht einzugreifen.

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