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Das junge Spitzenpersonal der FDP.

© dpa

Kontrapunkt: Liberale Junggardisten im deutschen Paradies

Die Bambis aus dem FDP-Jugendzentrum müssen gar nichts neu machen, schreibt Malte Lehming im "Kontrapunkt". Sie brauchen nur abzuwarten: Die Zeit ist auf ihrer Seite.

Philipp Rösler, Christian Lindner, Daniel Bahr. Man nennt sie auch die Bambis aus dem liberalen Jugendzentrum. Sie sind jung, das Leben liegt noch vor ihnen - und dessen Kreislauf auch. Darum muss die neue Garde der FDP weder den Liberalismus neu erfinden, noch mehr Gleichheit statt Freiheit wollen, sie muss weder den Sozialstaat umarmen, noch die moralischen Voraussetzungen einer freiheitlichen Ordnung aktueller definieren, die Partei braucht kein neues Grundsatzprogramm, keine Abkehr von ihrer Klientel, und sie muss nicht alle Naslang das Mantra murmeln: Die Freiheit ist das größte Geschenk für den Menschen und die größte Zumutung an ihn.

Nein, nein. Alles, was die liberalen Junggardisten brauchen, ist - Geduld. Jene Weisheit des Herzens, die auch Rainer Langhans überkommt, kurz nachdem er mit Buddha gefrühstückt hat, und die allein irdische Gerechtigkeit wieder herzustellen vermag.

Denn eines ist klar: Ihre Zeit wird kommen, ganz von alleine. Sie kündigt sich ja bereits an. Man sieht sie schon am Horizont, die Konturen der schönen, neuen Welt - des deutschen Paradieses. Dieser rot-grünen Verheißung, in der langsam, aber stetig die Strompreise steigen, weil die Kernkraftwerke etwas zu früh abgeschaltet wurden; in der die Mieten explodieren, weil die Kosten der klimafreundlichen Gebäudesanierung auf die Mieter abgewälzt wurden; in der riesige Windräder in jedem Stück Natur rotieren; in der Abschied genommen wurde von den Klimazielen, weil die Rückkehr zur Kohle überraschend den CO-2-Ausstoß erhöht hat; in der die Leugnung des Klimawandels (analog zur Holocaust-Leugnung) per Gesetz verboten wurde; in der bundesweit die Kitapflicht ab ein Jahr und die Gemeinschaftsschule verbindlich für alle eingeführt wurde; in der es die neuen Gymnasialpflichtfächer "Fleischfrei Leben" und "Nachhaltigkeit" gibt und man sich darüber wundert, in der Pisa-Studie weiter abgefallen zu sein; in der eine neue Biosteuer erhoben wird, um Bioläden zu subventionieren; in der die Hartz-IV-Leistung verdoppelt wurde, was dann seltsamerweise zu einer Verdreifachung der Zahl der Empfänger geführt hat; in der Sigmar Gabriel Bundeskanzler, Claudia Roth Außenministerin und Klaus Ernst Verteidigungsminister geworden sind; in der Gregor Gysi als Nachfolger von Roland Jahn die Gauck-Behörde leitet; in der die Katholische Kirche zu einer Frauenquote in geistlichen Führungspositionen gezwungen wurde; in der ein Thilo Sarrazin für seine Ansichten ins Gefängnis gesteckt wird, weil Innenminister Jürgen Trittin die § 130 (Volksverhetzung) und § 166 (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) verschärft hat (Trittin: "Das war notwendig und überfällig, wehret den Anfängen!"); in der viele Tageszeitungen "aus freien Stücken" eine tägliche Extraseite zum Themenkomplex "Flüchtlinge, Armut, Hunger" publizieren; in der ein neuer gesetzlicher Feiertag zum "Christopher Street Day" eingeführt wird; und in der Libyen im Chaos versinkt, weil Islamisten über Bengasi herrschen wollen, woraufhin Deutschland für seine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat nur noch deshalb kritisiert wird, weil es nicht mit Nein gestimmt hatte.

Dann, ja dann werden in den Talkshows bei Anne Will und Maybrit Illner wieder die klügsten Köpfe der Republik sitzen und genau wissen, warum die FDP bei jeder Wahl gewaltig zulegt und das Zeug zu einer Volkspartei hat, während die Grünen regelmäßig an der 5-Prozent-Hürde scheitern. "Spiegel" und "Stern" werden fast zeitgleich dieselbe Titelgeschichte auf den Markt bringen: "Christian Lindner - kann der auch Kanzler?" Im Sonderprogramm der ARD wird die Frage diskutiert: "Hat uns die Atom-Angst blind gemacht?" Und im "Ratgeber Bildung" werden Tipps gegeben, wie man sein Kind durch häuslichen Nachhilfeunterricht doch noch universitätsreif machen kann.

Sie sind jung, das Leben liegt noch vor ihnen - und dessen Kreislauf auch. Die liberalen Junggardisten können also in Ruhe abwarten und Tee trinken. Denn sie haben einen Bündnisgenossen, der stärker ist als alle ihre Gegner zusammen - die Zeit. "Well, time is on my side, yes it is / Time is on my side, yes it is", singen die "Rolling Stones", "You'll come running back (I said so many times before) / You'll come running back to me."

Sie ist fast da, die neue Zeit, das deutsche Paradies. Ein bisschen warten noch, dann wird die Rechnung präsentiert.

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