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Kontrapunkt: Meinungsfreiheit: Gleiches Recht für alle

Aus Angst vor einer Eskalation ist die Bundesregierung bereit, Freiheitsrechte zu beschneiden. Die Debatte um den Mohammed-Film "Unschuld der Muslime" macht deutlich: In Deutschland wird mit zweierlei Maß gemessen.

Man hört und staunt. Die Meinungsfreiheit (und die Freiheit der Kunst) werden bei uns nur noch dann verteidigt, wenn sie nicht die „öffentliche Sicherheit“ beeinträchtigen. Deshalb setzt sich die Bundesregierung – unterstützt von einem Großteil der Opposition – für ein Aufführungsverbot des Films „Die Unschuld der Muslime“ ein. Das heißt in der Praxis: Je aggressiver sich jene aufführen, die sich durch Wort, Ton, Bild oder Schrift beleidigt fühlen, desto eher können sie ein Verbot des beleidigungsverursachenden Mediums bewirken. Gewalt wird belohnt. Steine siegen.

Besonders befremdlich wirkt, dass ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel die weiße Fahne hisst. Sie war es doch, die den dänischen Zeichner der Mohammed-Karikaturen, Kurt Westergaard, ausgezeichnet hat. Zur Erinnerung: Bei Protesten gegen dessen Karikaturen kamen mehrere Dutzend Menschen um Leben. Erneut drängt sich der Verdacht auf, dass Merkel mit der Westergaard-Ehrung nur ihre Berufsverbotskampagne gegen Thilo Sarrazin wiedergutmachen wollte. Die Meinungsfreiheit war ihr schnuppe.

Video: Merkel: "Meinungsfreiheit kennt Schranken"

Das ist sie vielen. Das Satiremagazin „Titanic“, das unlängst auf seinem Titelbild den Papst in durchnässter Soutane gezeigt hatte, was weit über katholizismuskritische Kreise hinaus klammheimliche Freude auslöste, wurde für seinen Mut und seine Standfestigkeit gelobt, sich gegen den Antrag des Vatikans auf eine Einstweilige Verfügung gewehrt zu haben. Wie mutig es in Wahrheit ist, in Deutschland den Papst satirisch darzustellen, lässt sich indes schon daran ermessen, dass die „Titanic“-Leute allein beim Gedanken daran, auch mal den Propheten Mohammed auf ihrem Titelbild in durchnässter Hose abzubilden, sich selbst nass machen würden.

Bildergalerie: Video versetzt islamische Welt in Aufruhr

Oder „Pussy  Riot“. Nach dem Auftritt der Punkband in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, dem zentralen Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche, führte die anschließende Verhaftung von einigen ihrer Mitglieder zu einer riesigen Sympathiewelle in Europa. Zu recht. Es lohnt sich, auch für einen Freiheitsbegriff zu streiten, der so weit ist, dass dessen Inhalte gelegentlich sogar als blasphemisch empfunden werden können. Doch dann müssten wir ebenso, nur als Beispiel, für das Recht von islamkritischen Rappern kämpfen, in einer Moschee auftreten zu dürfen.

Bildergalerie: Die Grenzen der Freiheit, wenn es um Religion geht

Gleiches Recht für alle – ius respicit aequitatem. Verschiedenheit rechtfertigt weder Diskriminierung noch besondere Vorzüge. Wer die „öffentliche Sicherheit“ zur obersten Richtschnur für die Grenzen von Freiheitsrechten macht, belohnt Gewalt. Kritik zu ertragen, auch Schmähkritik, muss eine Zivilgesellschaft aushalten und auszuhalten lernen.

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