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Kritik von allen Seiten hagelt auf die Parteivorsitzende der CDU, Angela Merkel, ein.

© dapd

Kontrapunkt: Merkels Kritiker wollen Erklärungen – keine andere CDU

In der Kritik an der Parteivorsitzenden gilt das Primat des Politischen: Erkläre, wofür und wogegen du bist. Viele sehen Leerstellen in der CDU, aber nur Konservative sprechen sie an.

Es geht ja nicht darum, dass man konservativ sein muss, um das Konservative für unverzichtbar zu halten. Und sei es, dass es eine Frage der intellektuellen Redlichkeit ist, wie Friedrich Nietzsche sie mal forderte, die Argumente des Gegners mitzudenken, sie mitzubedenken. Erst recht gilt das für eine Partei, die als eine ihrer drei Strömungen das Konservative zumindest lange Jahre ansah, die CDU.

Neuerdings sagen selbst solche, von denen man dachte, sie seien eher konservativ, dass die CDU nie eine solche Partei gewesen sei, sondern eine christdemokratische. Ein solcher Fall ist Volker Kauder, der Fraktionschef von CDU und CSU im Bundestag. Allerdings klingt das so, als müsse sich die CDU von einem Stigma befreien, von schlechtem Ruch. Was dann wiederum bedeutet, dass es so recht keine größere konservative Partei im lauteren demokratischen Spektrum mehr gäbe, die einer wählen könnte. (Von den strukturkonservativen Linken abgesehen; das ist eine andere Geschichte, und die haben auch eine andere Geschichte, was Traditionalismus und Festhalten am Bekannten betrifft. Da gilt eher Breschnew: strikt beim einmal Vereinbarten zu bleiben.)

Dieser Tage schrieb Alexander Gauland, ein „linker Tory“, wie er selber einmal über sich sagte – Tories werden die Konservativen in England genannt – übers Konservative. Kurz einige wesentliche Punkte: Der Konservative versucht sich der historischen Dimensionen zu vergewissern, um gesellschaftliche Wirklichkeit pragmatisch zu reformieren; es geht ihm um konkrete Verbesserungen auf der Grundlage des Bestehenden. Konservativismus selbst ist eine Methode zur Problemlösung und kein fertiges theoretisches Gebäude, eines mit Skepsis als oberster Richtschnur.

Anders ausgedrückt: Nicht alles, was war, war schlecht, und Werte als Leitlinien schaden nicht bei der Entscheidungsfindung, die mit Maß und Mitte zu erfolgen hat.

Womit wir bei Angela Merkel wären.

Sie, die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin, steht im Zentrum der Debatten – allerdings hinter vorgehaltener Hand. Und da kann es einem Zuhörer passieren, dass all die Vorbehalte, die gegenwärtig öffentlich geäußert und postwendend öffentlich zurückgewiesen wurden, also die von und gegen Josef Schlarmann und Gertrud Höhler, zumindest doch in einigen Punkten geteilt werden. Unsinn ist, dass Merkel eine Art diktatorisches System errichten will; als zutreffend wird hingegen die Beschreibung empfunden, dass es eine Vorherrschaft des machtorientierten Pragmatismus gibt. Da würden Entscheidungen weniger in demokratischen Gremien gefällt, als vielmehr von ihr, Merkel, mit sich ausgemacht.

Nun, darum beklagen die Konservativen, dass in der CDU dieses Konservative nicht mehr genug eingeübt wird, seit Jahren inzwischen nicht mehr. Wer das aber nicht tut oder fördert, der kann dem Konservativismus auch nicht das Wort reden. Wie man an Angela Merkel studieren kann.

Die Konservativen sind deshalb nicht so sichtbar, weil sie gerade in der CDU konkrete gemeinsame Sachpositionen ermitteln, wofür sie die je eigenen mitteln. Extreme sind da einfacher zu formulieren.

Vieles, konstatiert auch Gauland, ist ja im Grunde durchaus mit Konservativität in Einklang zu bringen, ob Energiewende oder Verzicht auf die Wehrpflicht. Der Konservative, wusste Franz Josef Strauß, der ehemalige CSU-Chef, marschiert an der Spitze des Fortschritts – um ihn zu steuern.

Aber gerade darum gilt das Primat des Politischen: Erkläre, wofür und wogegen du bist. Erkläre, worin der Fortschritt bestehen soll, wenn du dich wegbewegst vom Bewährten. Erkläre, was du bewahren möchtest und warum, womöglich auch dafür, was genau geändert werden soll. Und dann legitimiere diese Haltung, indem du sie zur Abstimmung stellst.

Viele sehen da Leerstellen in der CDU, aber nur Konservative sprechen sie an. Vielleicht aus Betroffenheit deutlicher als andere. Und man muss sie nicht einmal mögen, um es zu verstehen.

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