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Die Vergleichstests werden nicht veröffentlicht.

© dapd

Kontrapunkt: "Vera" ist ein Problemkind

Ein Ranking wird es nicht geben. Die Vergleichstests an Schulen, "Vera" genannt, werden nicht veröffentlicht. Ein knallharter Wettbewerb zwischen Schulen ist zwar unsinnig. Gegenüber Eltern ist es andererseits entmündigend, ihnen Daten über die Qualität der Schule vorzuenthalten.

Bildungssenator Zöllner hat sein "Qualitätspaket" für die Schulen noch mal aufgemacht und die Veröffentlichung der Vergleichsarbeiten herausgenommen. Somit wird es das nicht geben, was viele Schulleiter, aber auch viele Experten ohnehin nicht wollten: ein Ranking. Der Sinn von "Vera", wie die Vergleichstests genannt werden, sei es, dass die Schulen ihre Defizite erkennen, nicht aber, dass die schlechteren unter ihnen von jedem benannt werden können. Aber was sollen das für Schulen sein, die nicht auch so wüssten, was bei ihnen schlecht läuft? Und was sagen die Leistungen von Achtjährigen wirklich darüber aus, wie gut ihre Lehrer sind? "Vera" ist, so oder so, ein Problemkind.

Die Diskussion über die Vergleichstests an Schulen erinnert stark an diejenige über die Veröffentlichung von Qualitätsdaten in Krankenhäusern. Per Gesetz dazu verpflichtet, liefern die Kliniken seit einigen Jahren statistisches Rohmaterial über Erfolg und Misserfolg ihrer Operationen ab. Anhand der Daten können für bestimmte Indikationen Vergleiche zu anderen Kliniken gezogen werden, was der eigenen Qualitätssicherung dienen soll. Gegen eine öffentliche Auswertung des Rohmaterials hatten die Krankenhausleitungen starke Vorbehalte: Ein sich daraus ergebendes Ranking würde die konkreten Umstände nicht berücksichtigen; wer einmal unten lande, verliere das Vertrauen der Patienten und habe erst recht keine Chance mehr, sich zu verbessern. Aber ist das so?

Ein knallharter Wettbewerb ist zwischen Schulen ebenso unsinnig wie zwischen Kliniken, dafür sind die Anforderungen und Bedürfnisse zu verschieden. Eine Grundschule in einem sozialen Brennpunkt wird es auch mit noch so viel Geld und Einsatz immer schwerer haben, einen der vorderen Plätze in einem Ranking zu erobern, als eine Grundschule in einem Viertel, in dem die Erstklässler im Wagen vorgefahren werden und schon lesen, schreiben und rechnen können, bevor die Schultüte ausgepackt ist. So gesehen ist der Leistungsgedanke, der sich aus der Rankingtabelle zwangsläufig ergibt, unsinnig. Andererseits ist die fehlende Transparenz auch ein Tranquilizer: Je weniger Druck es gibt, desto größer die Versuchung, sich dem Schicksal und der Bildungsverwaltung zu ergeben. Gegenüber Eltern ist es entmündigend, ihnen Daten über die Qualität der zugewiesenen Schule vorzuenthalten, und da es um ihre Kinder geht, zugleich eine arrogante Anmaßung. Es ist ja nicht jedem alles gleich wichtig. Auch an Schulen, die bei "Vera" insgesamt weniger gut abschneiden, kann es herausragende Leistungen geben, von Schülern wie von Lehrern.

So, wie "Vera" aber läuft, ob mit oder ohne Veröffentlichung, läuft es in die falsche Richtung. Lehrer sind in Versuchung, die Ergebnisse ihrer Schüler zu frisieren, um selbst in einem besseren Licht dazustehen, Eltern setzen ihre Kinder aus demselben Grund unter Druck. Dabei soll ja eigentlich nicht individuell jeder Schüler getestet werden, sondern erkannt werden, wo es Verbesserungsbedarf gibt. So gesehen wäre es für Eltern und Lehrer eher besser, ihre Kinder und Schüler schlecht abschneiden zu lassen. Das garantiert Aufmerksamkeit und Zuwendung. Da wir hier aber im armen Berlin sind, leider nicht genügend Zuwendungen. Davon abzulenken, ist "Vera" in jedem Fall geeignet.

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