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Kontrapunkt: Vermögensabgabe – warum denn eigentlich nicht?

Der Sparkurs vergrößert die Kluft zwischen Arm und Reich weiter. Im "Kontrapunkt" schreibt Tissy Bruns über die Vermögensabgabe als Instrument, um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen.

„Öffentliche Armut, privater Reichtum“ noch nie war die Formel so treffend wie heute. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sie deshalb in ihrem aktuellen Wochenbericht wieder aufgenommen. Das Plädoyer, das die Experten aus ihren Zahlenwerken ableiten, ist von anderen Instituten, aus der Wirtschaft und der FDP erwartungsgemäß abgelehnt worden. Das DIW schlägt „eine einmalige Vermögensabgabe, die auf den bestehenden Vermögensbestand erhoben wird“ vor, um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Nicht als Allheilmittel, sondern in Kombination mit Ausgabenkürzungen, und in Maßen. Denn laufende Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen haben den Nachteil, dass sie „erhebliche Ausweichreaktionen auslösen können“. So formuliert das DIW die bekannte Wahrheit, dass sich dem Fiskus leicht entfliehen kann, wer sehr viel Geld hat.

Die politische Konstellation lässt nur wenig Hoffnung zu, dass über diesen Vorschlag nachgedacht wird. Die FDP, von deren Steuersenkungsversprechen nur eine läppische Steuervereinfachung übrig geblieben ist, will es nicht. Die Bundeskanzlerin, die in den letzten Wochen alles auf die Karte Schwarz-Gelb gesetzt hat, kann es nicht. Das Problem allerdings bleibt bestehen. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft im Land der sozialen Marktwirtschaft immer weiter auseinander, und der Konsolidierungskurs der öffentlichen Haushalte treibt diese Entwicklung an. Politisch gibt es keine Antwort auf das gewaltige Akzeptanzproblem vor, während und nach der Finanzkrise. Davor, in Phase Eins, in der ungeheuer viel verdient worden ist, tönte aus den Talkshows eine endlose Publikumsbeschimpfung, dass die Deutschen die Chancen und Freiheiten der Globalisierung mutig begreifen müssten, statt ihre Risiken ängstlich zu scheuen. Der 20-Prozent-Rendite-Traum war den meisten Steuerzahlern schon damals verdächtig, weil er ihrer Lebensrealität nicht entsprach. Als er platzte, wurden vor aller Augen eben diese Steuerzahler herangezogen, um die  Banken und Banker zu retten, deren grenzenlose Freiheit die ganze Welt geschädigt hatte. Milliarden waren in wenigen Wochen da, wo früher Millionen fehlten, um anständige Ganztagsschulen zu finanzieren. Jetzt war es alternativlos, die Banken zu retten, wie es zuvor alternativlos gewesen war, ihre Regulation zu lockern, wo es nur ging. In Phase drei wiederum ist es alternativlos, im öffentlichen Sektor zu sparen, am Programm Soziale Stadt, am Elterngeld, mit höheren Gebühren, während es nicht oder nur mit Mühe gelingt, die munter sprudelnden Bonuszahlungen der Finanzwirtschaft zu begrenzen.

Das alles wabert und rumort im Unterbau unserer Gesellschaft. Für die Deutschen läuft es gut, im Vergleich zu anderen supergut, doch Unbehagen, Apathie, Abwendung von der Politik bleiben. Denn eine ernsthafte Debatte über die grundsätzliche Schieflage zwischen der Macht des Geldes und der Politik  gibt es kaum. Statt dessen immer wieder beunruhigende Krisenmeldungen. Regelmäßig werden am Vortag der allfälligen  EU-Gipfel die vorherigen Streitigkeiten, um Euro-Bonds oder Gläubiger-Beteiligung, von neuen alarmierenden Signalen überlagert, die stets von „den Märkten“ ausgehen. Über die erfährt der normal interessierte Mensch wenig Namen, Daten, Fakten, aber desto mehr über ihr Seelenleben. Sie reagieren „empfindlich“, „nervös“, sie „beruhigen sich nicht“ und setzen damit ganze Staaten unter Druck. Die, vor allem, wenn sie von anderen gerettet werden, müssen sparen, sparen, sparen.

Das Sparverdikt gilt heute als allgemeingültige Antwort auf Verschuldung und Finanzkrise. Wieder einmal: alternativlos. Das DIW zieht eine „gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanz“. Der Vorschlag zeigt: Man muss nicht nur, man kann sich Alternativen wenigstens vorstellen, die dem untergründigen Vertrauensverlust in unserem Gemeinwesen etwas entgegensetzen können. Wenn sogar die verheerenden Folgen privater Risikowirtschaft staatlich abgesichert worden sind, dann muss die Frage nach der Gemeinwohlpflicht großer Vermögen gestellt werden. Das Nettovermögen des Staates, rechnet das DIW vor, das 1991 noch bei 52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag, ist aktuell (2009) auf sechs Prozent des BIP zusammengeschmolzen. Die Staatsverschuldung hat im Verlauf der Finanzkrise einen neuen Schub erhalten. In Verhältnis zum BIP wird sie von 65 Prozent Ende 2007 auf voraussichtlich 75,5 Prozent Ende 2009 steigen. Den privaten Sektoren der Volkswirtschaft bietet diese Verschuldung breite und (bislang) sichere Anlagemöglichkeiten. Und anzulegen ist viel, sehr viel: Das private Nettovermögen macht derzeit 307 Prozent des BIP aus, das sind 7370 Milliarden Euro. In den letzten zwanzig Jahren ist es fast doppelt so schnell gewachsen wie das BIP.

Selbst in der FDP müssten die Gedanken doch noch frei genug sein, um sie auf die Frage nach der Umverteilung anzuwenden. Womöglich ist der Staat als Retter beim nächsten Mal zu schwach, wenn die gewaltigen privaten Mittel neue Renditeziele suchen und sich dabei überheben.

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