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So viel zusätzlich. Ursula von der Leyen erklärt im Bundestag ihr Modell der Zuschussrente.

© dpa

Kontrapunkt: Von der Leyens Zuschussrente ist eine Mogelpackung

Ursula von der Leyen plant eine Zuschussrente. Die Idee ist richtig, doch die Arbeitsministerin plant am Leben vorbei, meint Tissy Bruns in ihrem Kontrapunkt.

Die Grundsicherung fürs Alter wurde von der rot-grünen Koalition eingeführt. Sie ist eine Leistung aus dem System der Sozialhilfe und steht jedem alten Menschen zu wie ALG 2 (im Volksmund Hartz IV) den Arbeitsfähigen und liegt bei 650 bis 750 Euro. Grundsicherung erhält, wer nie in die Rentenkassen eingezahlt hat – aber eben auch eine in Zukunft rasant wachsende Zahl von Rentnern, die mit ihren Rentenbeiträgen nur auf eine Rente in Höhe der Grundsicherung (oder weniger) kommen. Von der Leyen will den Unterschied machen. Wer lange gearbeitet hat, soll mehr erhalten als die Grundsicherung, künftig mindestens 850 Euro. Das ist vernünftig.

Aber wer kommt in den Genuss dieser Leistungen? Wer eine 45jährige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung, davon 30 gezahlte Beitragsjahre nachweisen kann und außerdem eine private Zusatzvorsorge, Riester- oder Betriebsrente hat. Vor allem Letzteres deutet daraufhin, dass von der Leyen bisher intensiver an die Verkündigung einer neuen Leistung ("Zuschussrente tritt 2013 in Kraft") als an tatsächliche Lebensverbesserungen gedacht hat. Denn bei den Einkommensgruppen, die mit ihrer Rente trotz langer Lebensarbeitszeit in die Grundsicherungszone geraten, ist die Finanzierung von privaten Zusatzversicherungen oft einfach nicht drin.

Doch auch 45 Versicherungsjahre und 30 Beitragsjahre sind mittlerweile nicht mehr der Normalfall. Und erst recht nicht bei den Frauen, die laut Arbeitsministerium drei Viertel der potenziellen Berechtigten einer Zuschussrente stellen. Denn ihre Biographien sind in einem Maße von Erwerbspausen, Teilzeit- und Minieinkommen geprägt, die von den Rentenabrechnungszeiten für Schwangerschaft und Kindererziehungsjahre nur entfernt ausgeglichen werden.

Eine Zeitbombe steckt in diesem Problem wegen der unaufhörlichen Ausweitung des Niedriglohnsektors. Und der zögerliche Umgang der Ministerin mit diesem Thema macht ihre Zuschussrente zur höchst fragwürdigen Mogelpackung. Wenn die Niedriglohnentwicklung sich fortsetzt, wird eine Rentenhöhe auf Grundsicherungsniveau vom Ausnahme- zum Massenfall. Es wächst zudem die Zahl der Geringverdiener, deren Einkommen staatlich aufgestockt werden müssen. (Was nichts anderes ist als eine für Unternehmen günstige Steuersubventionierung von Arbeitslöhnen).

Eine der wichtigsten Maßnahmen dagegen und gegen das Anwachsen des Rentenproblems sind Mindestlöhne, ob man sie nun gesetzlich, flächendeckend oder wie auch immer nennt. Leyen hätte die CDA, die Arbeitnehmerschaft der CDU, hinter sich, wenn sie in diese Richtung ginge – die schwarz-gelbe Koalition allerdings bislang nicht. Und so bleibt bisher nur eine Neuauflage des Prinzips Bildungspaket: Schöne Verpackung, doch der Inhalt verbleibt beim Absender.

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