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Update

Kontrapunkt: Von Schauspielern, Lügnern und Sportbetrügern

Was hat Jan Ullrich mit Igor de Camargo gemein? Beide sind Sportbetrüger und schaffen es nicht, das zu tun, was Deutschland derzeit von Christian Wulff verlangt: Aufklärung leisten und sich entschuldigen.

Was verbindet den Ex-Radprofi Jan Ullrich mit Gladbachs Stürmer Igor de Camargo? Beide sind Sportbetrüger, und beide lachen alle aus, die sich darüber echauffieren. Beide hatten am Mittwoch einen großen Auftritt. Ullrich, als er eine Werbekampagne präsentierte, Motto: „Doping für die Haare“, de Camargo, als er sich beim Pokalspiel in Berlin als Opfer einer Kopfnuss gerierte, die er selbst seinem Gegenspieler Roman Hubnik verpasst hatte. Beide schaffen es nicht, das zu tun, was ganz Deutschland gerade ganz selbstverständlich vom Bundespräsidenten verlangt: Aufklärung leisten und um Entschuldigung bitten. Zu viel verlangt?

Ex-Radsportprofi Jan Ullrich präsentierte seine Werbekampagne „Doping für die Haare“ – und freut sich über den schalen Witz.
Ex-Radsportprofi Jan Ullrich präsentierte seine Werbekampagne „Doping für die Haare“ – und freut sich über den schalen Witz.

© dpa

Manche gehen sogar noch weiter und sagen, wer hier nach Fairness rufe, verkenne eben, dass es sich bei dieser Art von Sport um ein Geschäft handelt, und ein Sportler, der das missachte, betreibe geschäftsschädigendes Verhalten. Doch das ist ein gedanklicher Kurzschluss. Was wäre denn geschehen, wenn Gladbachs Kapitän Filip Daems nicht den durch Betrug zugesprochenen Elfmeter geschossen und verwandelt hätte, sondern, nach einem kurzen Gespräch mit de Camargo darauf verzichtet hätte? Borussia Mönchengladbach wäre mit einem nicht erzielten Tor ab sofort Meister und Pokalsieger der Herzen geworden, und sage niemand, dass man sich dafür nichts kaufen kann.

Die Niederlage von Hertha BSC im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach in Bildern:

Vermarkten lassen sich nicht nur Trophäensammler, sondern auch Sympathieträger – wie sonst wäre es zu erklären, dass ein Verein wie Schalke, Deutscher Meister zum letzten Mal 1958, überall im Land Fans und Mitglieder hat, die ihre letzten Euros für Trikots und Karten geben würden. Doch hat auch Schalke seine schwarzen Momente gehabt, besonders im Frühling 1998, beim Heimspiel gegen den 1. FC Köln.

Null zu null stand es kurz vor Schluss, als der damalige Kölner René Tretschok einen Abpraller volley aufs Schalker Tor schoss. Der FC wäre vor dem Abstieg gerettet gewesen – doch kurz vor der Linie sprang der Schalker Verteidiger Oliver Held hoch und lenkte den Ball mit seiner linken Hand über die Latte. Doch Schiedsrichter Uwe Kemmling gibt Ecke, keinen Elfmeter. So etwas kann vorkommen. Zum Betrug wurde die Sache erst danach. Wegen der wütenden Proteste der Kölner befragte Kemmling, der die Szene nicht richtig gesehen hatte, den Spieler Held, appellierte, wie er später sagte, an dessen Ehrlichkeit. Aber Held schwor laut Kemmling: Seine Hand war nicht im Spiel. Kemmling blieb bei der Ecke. Es war nicht die Hand Gottes, wie einst bei Maradona, und schon gar nicht die eines Helden, sondern: die eines dreisten Betrügers.

Das Handspiel von Oliver Held im Video:

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Nahe dran am Betrug war im Dezember 2005 auch der damalige Duisburger Trainer Norbert Meier, der in ein ähnliches tête-à-tête wie jetzt zwischen Hubnik und de Camargo mit dem Kölner Spieler Albert Streit geriet. Meier nickte als erstes – und fiel, wie vom Blitz getroffen, nach hinten um. Streit bekam die Rote Karte. In beiden Fällen, Held wie Meier, wurden die schauspielernden Lügner und lügenden Schauspieler später bestraft. Gegen Meier wurde zunächst ein Berufsverbot ausgesprochen, das später auf eine Sperre von drei Monaten reduziert wurde, aber seinen Job war er los. Und auch Held wurde gesperrt, für zwei Spiele. Das war etwas weniger als das, was Toni Polster damals fordert: „Dafür soll er sein ganzes Leben kein Glück mehr haben.“ Doch bleibt der Name Oliver Held für immer nicht mit großem Fußball im Gedächtnis und in den Archiven, sondern mit großem Betrug.

Der Fall Meier im Video:

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So wird es auch Jan Ullrich ergehen, ob das nun ungerecht ist oder nicht. Und es scheint ihm inzwischen auch egal zu sein, so wie er sich freut über den schalen Witz mit dem Doping für die Haare, und so, wie er dem wegen Dopings gesperrten Alberto Contador alles Gute für ein Comeback wünscht.

Und Borussia Mönchengladbach? Der Verein hat am Mittwochabend zwar das Halbfinale des Pokals erreicht, aber eine große Chance verspielt. Großartig, ja berauschend schön und erfolgreich haben die Borussen zuletzt gespielt, und auch wenn sie nicht Meister oder Pokalsieger werden, hätten sie viele neue Freunde gewonnen. Aber so, nach diesem Betrug, werden es weniger sein. Es war eben doch nur ein schöner Schein.

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