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Kontrapunkt: Wahlkampf in Berlin: Charme des Provinziellen

Berlin schwebt in diesem Wahlkampf auf einer kleinen Wolke. Wenn alles vorbei ist, wird sie sich unbemerkt auflösen und alles ist wie zuvor - in Deutschland und in Berlin. Nun ja, fast alles.

Die Völker der Welt schauen nicht auf diese Stadt. Diesmal nicht. Nicht weil es sich nicht lohnt. Die Stadt hat jede Menge zu bieten: nur keinen spannenden Wahlkampf. Es wird kein neuer Ernst Reuter, kein Willy Brandt und auch kein Richard von Weizsäcker geboren. Es gibt auch keine wegweisenden Debatten. Sagen wir doch wie es ist: Es ist schlicht und einfach eine schnöde Landtagswahl, in einem nicht ganz so schnöden Stadtstaat.

Überhaupt was hat Deutschland von dieser Wahl und diesem Wahlkampf? Nichts. Denn, und das mag für viele ja beruhigend sein, dieser Wahlkampf ist kein weiterer Schritt in Richtung "Berliner Republik".

Da sind zunächst die Probleme, die diskutiert werden: Brennende Autos - gibt es mit ein paar wenigen Ausnahmen nur in Berlin. Steigende Mieten - gibt es überall, aber fast im gesamten Rest der Republik sind die Mieten auch schon auf einem höheren Niveau als in Berlin. Fluglärm - kennt der Offenbacher, der Frankfurter und auch der Kölner seit Jahren. Verschuldung - kennen auch alle. Das, was in diesem Wahlkampf thematisiert wird, hat den Charme des Provinziellen. Es wird verpuffen wie eine laues Lüftchen: gesellschaftspolitische Relevanz über Berlin und den Wahlkampf hinaus? Weitestgehend Fehlanzeige.

Und die Kandidaten? Sie werden bundespolitisch erstmal keine hervorgehobene Rolle spielen. Klaus Wowereit wird, wenn sich die Umfragen bestätigen, wohl in aller Ruhe auswählen können, mit welchem Koalitionspartner er in seine dritte Amtszeit im Roten Rathaus ziehen wird. Es wird auch Sozialdemokraten geben, die ihn am oder kurz nach dem Wahlabend zum SPD-Kanzlerkandidaten ausrufen wollen. Tatsächlich aber wird er wohl im Rennen zwischen Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier keine Chance haben und tatsächlich bis, Achtung, 2016 Regierender Bürgermeister von Berlin bleiben. Bundespräsident könnte er noch werden, wenn ihm die Käßmanns dieser Welt da nicht zuvorkommen. Und Renate Künast? Die wird nach derzeitigem Stand froh sein, wenn sie erst einmal weiter Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag bleiben kann. Denn auch bei den Grünen haben es Wahlverlierer schwer, ihren Einfluss auszubauen.

Nur die parteipolitische Gefechtslage verspricht ein paar Funken über die Berliner Gemarkung hinaus zu versprühen. Da ist zum einen die FDP. Sie droht nach Mecklenburg-Vorpommern auch die zweite Wahl der Ära Philipp Rösler krachend zu verlieren. Das wird den Unruhe-Grad in der schwarz-gelben Koalition weiter erhöhen. Die Liberalen könnten sich gemüßigt sehen, zu drastischeren Mitteln und Tönen zu greifen. Dann die Linken. Sie werden wohl noch ins Abgeordnetenhaus einziehen, aus der Regierung werden sie sich aber vermutlich verabschieden müssen und das wird die Debatte um das Führungsduo Lötzsch/Ernst aufs Neue befeuern. Den größten Coup könnten am Ende die Piraten landen. Sie werden es wohl sein, die dieser Wahl den kleinen Stempel "historisch" verpassen, wenn sie erstmals in ein Landesparlament einziehen. Wer erinnert sich nicht an jene Landtagswahl in Hessen, an deren Ende Joschka Fischer in Turnschuhen den Eid geschworen hat.

Das war es dann aber auch schon. Die "Berliner Republik" findet bei dieser Wahl ansonsten nicht statt. Und vielleicht ist das auch gut so.

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