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Am 26.12.2010 kehrte die Mavi Marmara unter dem Jubel der türkischen Bevölkerung nach Istanbul zurück. Im Streit um den israelischen Angriff auf das Aktivistenschiff hat die Türkei jetzt den israelischen Botschafter ausgewiesen.

© dpa

Kontrapunkt: Weiter spalten statt versöhnen

Aus israelischer Sicht gibt es nach dem Palmer-Bericht weniger Grund für eine Entschuldigung denn je. Die Krise in den türkisch-israelischen Beziehungen wird damit zu einem Dauerzustand, den nur ein Regierungswechsel auflösen kann.

Wenn die Palmer-Kommission der Vereinten Nationen geglaubt haben sollte, sie werde mit ihrem Bericht zum israelischen Angriff auf die türkische Gaza-Flottilla zur Wiederannäherung zwischen Israel und der Türkei beitragen, dann hat sie sich getäuscht. Der Bericht liefert beiden Seiten neue Gründe, auf dem jeweils eigenen Standpunkt zu verharren. Statt eine Versöhnung der beiden ehemaligen Partner zu ermöglichen, markiert der Palmer-Bericht den Bruch zwischen Ankara und Tel Aviv.

Die Türkei weist den israelischen Botschafter aus und droht indirekt sogar mit einer militärischen Konfrontation, weil Israel eine Entschuldigung für den Tod von neun türkischen Aktivisten beim Angriff auf die türkische Gaza-Flottilla im vergangenen Jahr ablehnt. Das hört sich erst einmal nach Dampfablassen an. In Teilen der türkischen Öffentlichkeit und des Nahen Ostens kommen die harten Töne sicher gut an. Doch die türkische Reaktion ist mehr als nur ein spontaner Wutausbruch.

Die von Außenminister Ahmet Davutoglu verkündeten Maßnahmen wurden über Monate vorbereitet und spiegeln eine Gewichtsverlagerung in der türkischen Nahost-Politik wider. In Ankara gilt der frühere Partner Israel wegen dessen Hardliner-Regierung inzwischen als hoffnungsloser Fall, sowohl was die bilateralen Beziehungen angeht, als auch was die generelle Entwicklung im Nahost-Friedensprozess betrifft. Eine Wiederannäherung wäre deshalb ohnehin schwierig.

Der UN-Bericht vertieft den Riss zwischen der Türkei und Israel nun noch weiter. Palmer bezeichnet Israels Gaza-Blockade als legal und betont, die israelischen Soldaten hätten sich nach dem Angriff auf die Gaza-Schiffe gegen gewaltsamen Widerstand verteidigen müssen. Das dürfte in Israels rechtsgerichteter Koalition als Bestätigung empfunden werden. Die Kritik am Schusswaffeneinsatz, der immerhin neun Menschen das Leben kostete, fällt im Vergleich dazu reichlich milde aus. Für eine Entschuldigung gibt es aus israelischer Sicht weniger Grund denn je.

Auch die türkische Seite hat sich verrannt. Die Erdogan-Regierung hat sich mehrmals öffentlich auf die Forderungen nach einer formellen Entschuldigung, auf Entschädigungszahlungen Israels an die Hinterbliebenen der Opfer und auf einem Ende der Gaza-Blockade festgelegt. Ein bloßes „Bedauern“ Israels reicht da längst nicht mehr.

Fünfzehn Monate nach dem Angriff auf das türkische Gaza-Schiff „Mavi Marmara“ stehen sich beide Seiten also unversöhnlicher gegenüber denn je. Die Krise in den türkisch-israelischen Beziehungen wird damit zu einem Dauerzustand. Israel wird in der Region noch weiter isoliert; erst vor kurzem stritt es sich mit Ägypten, einem anderen wichtigen Partner aus dem muslimischen Lager.

Türkische Regierungsvertreter betonen, die harte Haltung Ankaras richte sich lediglich gegen die Netanjahu-Regierung, nicht gegen das israelische Volk. Ein Regierungswechsel in Israel könnte demnach zu einem Neuanfang in den Beziehungen führen, an dem auch die Türkei als aufstrebende Regionalmacht interessiert sein müsste. Doch seit Freitag sind beide Länder von diesem Neuanfang weiter entfernt denn je.

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