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Spielt Mühle mit der SPD: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

© dpa

Kontrapunkt: Wie ein Schlag ins Gesicht

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ist ein Meister des Taktierens. Warum die CSU die SPD ausgerechnet jetzt in Sachen Euro-Rettung angreift.

Es ist schon hanebüchen, was die Sozialdemokraten so alles mitmachen müssen. Die Rede ist, ja, Überraschung, vom Thema Europa. Da möchte man meinen, die Bundeskanzlerin persönlich und die ganze Union, CDU und CSU, wären der SPD dankbar für stetige, brave, tapfere Unterstützung bei allen Entscheidungen zulasten der Staatskasse, die von – abwählbaren! – Abgeordneten getroffen werden müssen. (Wobei hier gilt: noch. Noch ist das so, wenn aber erst einmal der ESM-Vertrag in der EU gilt, dann ist es auf ewig anders; dann entscheidet ein Direktorium, das keinem Parlament verantwortlich ist.) Doch Dankbarkeit ist keine politische Kategorie, und das erleben die Genossen gerade wieder einmal, sehr bitter sogar.

Was CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt soeben veröffentlicht hat, war wie ein Schlag ins Gesicht des großen unerklärten Regierungspartners. Wie wird sich wohl, vor allen, Fraktionschef Franz-Walter Steinmeier fühlen, der unlängst noch seine Sozialdemokraten zwei Wochen lang geknetet hat, bis sie – widerstrebend zwar, aber immerhin – dem x-ten Rettungspaket zustimmten. Und das contre coeur.

Dobrindt findet dagegen, dass die Sozialdemokraten Deutschland verraten. So alt ist der Slogan, dass er wohl wieder recycelt werden kann. Mal sehen, ob demnächst von der CSU auch wieder kommt: „Freiheit statt Sozialismus“. Das war eine Idee des Übervaters der Christsozialen, Franz Josef Strauß, der auch immer stark im Austeilen war. (Damals hat ihn die CDU allerdings ein wenig gemäßigt auf „Freiheit oder Sozialismus“.)

Wo wir gerade beim Herzen und beim Französischen waren: Darauf gründet die CSU-Kampagne gegen die SPD – dass sie sich mit François Hollande, dem neuen französischen Staatspräsidenten, dessen Herz genauso links schlägt, gut versteht. Die CSU, auch weite Teile der CDU wollen die SPD offenkundig jetzt schon, und damit dauerhaft bis zum Wahlkampf 2013, mit dem Vorwurf koppeln, dass die Genossen Hollande gegen Angela Merkel nicht nur stützen, sondern ihn bei der Durchsetzung seiner Interessen unterstützen.

Dobrindt spielt Mühle mit den Sozialdemokraten.

Was daraus operativ folgen kann, ist klar. SPD-Abgeordnete werden sich nicht einerseits beschimpfen lassen, um andererseits klaglos wie Stimmvieh zur Urne geführt zu werden. Das können die in der Union, die es gut meinen mit Europa, vergessen. Aber es kann durchaus sein, dass Dobrindt genau das erreichen will. Es wäre wie beim Mühlespiel: Stimmen die Sozialdemokraten dagegen, belegt das seine These. Stimmen sie dafür, dementieren sie sich selbst. Mehr noch: Stimmen sie dagegen, nehmen sie der CSU die Arbeit ab; die mag nämlich schon länger nicht mehr, wie ihr Generalsekretär vor einiger Zeit verraten hat. Dumme Sache für die SPD. Vielleicht wird Dobrindt ja doch unterschätzt.

Was also tun? Merkel stellen und von ihr unzweideutiges Entgegenkommen verlangen; außerdem die Union stellen und deutlich machen, dass die CSU nur von ihrem internen Dilemma mit der CDU ablenken will. In der CDU rumort es, die Abgeordneten kommen in ihren Wahlkreisen zunehmend unter Druck und vom Erklären entkräftet nach Berlin, stehen aber noch zur Sache und zur Kanzlerin. Darum tat es ihnen auch so weh, dass Italiens Mario Monti jüngst europaweit als Merkel-Bezwinger wahrgenommen wurde. Die CSU darf sich nicht erlauben, öffentlich von der Kanzlerin abzurücken, zugleich sucht sie nach einem Weg, ihren Anti-Kurs durchzusetzen. Die SPD kann hier einhaken. Wenn die CDU Hilfe will, wirklich und wahrhaftig, dann muss Schluss sein mit diesem Spiel.

Das ist aber auch in ihrem eigenen Interesse. Die SPD muss das Europa-Thema für den Wahlkampf neutralisieren, im Gegensatz zur Kanzlerin, die als Chefin der Exekutive immer einen Vorteil haben wird. Nur wenn das gelingt, kann die Opposition mit anderen Themen beim Wähler durchdringen. Oder sagen wir so: Sie kann die Hoffnung haben. Was ein Sozialdemokrat im Moment nicht alles mitmachen muss.

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