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Kontrapunkt: Wie sich die Sarrazins als Opfer inszenieren

Die Sarrazins können erfreut feststellen, dass derselbe Trick gleich zweimal funktioniert. Lorenz Maroldt beschreibt, wie die Familie Sarrazin eine Kampagne startet.

Einige Leute finden „die Kampagne“ gegen die Sarrazins „zum K*****“, wie sie uns schreiben. Sie sind vornehm genug, das ausgeschriebene Wort zu vermeiden, gehen ansonsten allerdings wenig zimperlich um mit Abschaum und Gesocks, also vor allem mit Ausländern und Journalisten, obwohl es ja, darauf vergisst kaum einer hinzuweisen, von der Kanzlerin persönlich angeordnete, politisch korrekte Lese-, Rede- und sogar Denkverbote gibt.

Die Sarrazins können also feststellen, dass derselbe Trick – beim ersten Mal noch eher zufällig entdeckt – auch zweimal funktioniert. Und so geht er:

Punkt 1: Sich möglichst schnell und massenwirksam, also aggressiv, zu einem vermeintlichen Opfer stilisieren. So wird jede Kritik diese Rolle immer mehr schützen und der Eindruck entstehen, hier erleide jemand ein Martyrium im Dienst einer guten Sache.

Punkt 2: Dazu eine Kampagne lostreten, in deren Mittelpunkt die Behauptung steht, man sei Opfer einer Kampagne. Im Fall von Ursula S.: Weil die vielen, seit Jahren immer wieder neuen Beschwerden von Eltern und Kollegen über die Lehrerin S. egal, wo sie auftauchte, nur geringe öffentliche Aufmerksamkeit brachten, ging Thilo S. in die Offensive. Er behauptete in der „Bild“, seine Frau werde gemobbt – und zwar seinetwegen, wegen seiner Thesen, wegen seines Auftretens, und vor allem: aus Neid.

Punkt 3: Dinge miteinander verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. Beschwerden über Ursula S. gab es bereits, da war Thilo S. noch gar nicht Finanzsenator, geschweige denn Millionär. Es kannte ihn schlicht noch keiner.

Punkt 4: Zweite Stufe der Kampagne zünden: Für Titelgeschichten in „Bild“ und „Focus“ bereitstehen und sich darin über die öffentliche Aufmerksamkeit wundern.

Punkt 5: Massenwirksam einfache, perfide Behauptungen aufstellen, deren Gegenteil zu beweisen kompliziert und deshalb per se weniger massenwirksam ist, selbst wenn unbewiesene Behauptung gegen unbewiesene Gegenbehauptung steht (diese Strategie hat Thilo S. bereitwillig und stolz selbst erläutert, noch bevor er mit seinem Buch die Charts stürmte).

Punkt 6: Falsche Fährten legen, um Punkt 3 noch stärker zu machen, hier durch die Erklärung, wer angeblich hinter dem „Mobbing“ steckt: „Es scheint so zu sein, dass in einer bestimmten Klasse zwei bis drei Eltern türkischer Kinder üble Nachrede gegen mich üben.“ Dadurch massenwirksame Bestätigung von Vorurteilen und Ablenkung von eigenen Schwachpunkten. (Tatsächlich beschwerten sich seit 2001 Berliner Eltern massenweise, fast nur Deutsche)

Punkt 7: Auf die Vergesslichkeit der Leute setzen. Funktionierte bei Thilo S. (spätestens seit Buschkowsky werden Integrationsprobleme breit erörtert), funktioniert bei Ursula S. (es gibt ständig Autoritätsdebatten; die letzte hatte der ehemalige Leiter von Salem, Bernhard Bueb, mit einem Buch losgetreten). Also behaupten: Ohne mich wäre NIE darüber geredet worden.

Punkt 8: Ein Buch ankündigen, möglichst mit Bezug zu Punkt 3, hier: „Ich habe schon ein paar Mal den Vorschlag gehört, dass ich so ein Buch schreiben soll. Muss ich mir überlegen. Ich will ja erreichen, dass sich irgendwann etwas zum Besseren wendet.“ Der Bezug zu Punkt 3: Den Eindruck erwecken, als hätten persönliche berufliche Probleme (Thilo S.: Ärger mit allen, vor allem aber im Vorstand der Bundesbank, Ursula S.: Ärger mit allen, besonders aber mit Eltern und Kollegen) etwas mit einer unterdrückten, aber dringend notwendigen Debatte zu tun (Thilo S.: Ausländer und Dumme überall, vor allem in Deutschland, Ursula S.: Ausländer und Dumme überall, vor allem in der Schule). Letzteres ist auch wirksam im Sinne von Punkt 1 und 2; die Mühle dreht sich jetzt wie von selbst.

Mal sehen, wie oft sich mit derselben Masche das Immergleiche noch stricken lässt.

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