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Meinung: Kontrolle – für mehr Vertrauen

Hausbesuche bei Arbeitslosen: Hartz IV mutet Betroffenen viel zu, aber nicht zu viel

Halten wir uns einen Moment die Ohren zu – damit die Wortkeulen nicht jeden vernünftigen Gedanken erschlagen. Es geht um Menschen und ihre Schicksale, um sensible Fragen wie Arbeitslosigkeit, Hilfsbedürftigkeit und die Offenlegung persönlicher Verhältnisse. Sie allesamt vertragen weder die Lautstärke noch den hohen Ton. „Ende des Sozialstaats“, „Enteignung“, „Schnüffelstaat“: Mit solchen Etiketten muss man sehr zurückhaltend umgehen. Nicht weil die Politiker, die die Arbeitsmarktreform beschlossen haben, Schonung verdienten, das nicht. Sondern mit Blick auf die Betroffenen. Muss man sie mit der Behauptung quälen, ihre Würde werde missachtet, und so ihr Selbstwertgefühl weiter untergraben? Wenn Mächtige Unzumutbares verlangen, verdienen Wehrlose Solidarität und Schutz. Aber ist das hier der Fall?

Es ist gut, dass die Details des Hartz IV genannten Pakets jetzt öffentlich ausgebreitet werden. Arbeitslos zu werden, das kann inzwischen sehr vielen Bürgern zustoßen, die das vor wenigen Jahren noch für äußerst unwahrscheinlich gehalten hätten. Arbeitslos zu bleiben, auch länger als ein Jahr, und dann auf das neue Arbeitslosengeld angewiesen zu sein, das Sozialhilfe bedeutet, ebenso. Grund genug für jeden zu überlegen, wie er empfinden würde, wenn Behörden diese Auskünfte von ihm verlangten.

Es geht um ein sensibles Gleichgewicht. Die Menschen, die schon das Unglück haben, ihren Job zu verlieren und keinen neuen adäquaten schnell zu finden, wollen sich nicht durch bohrende Fragen nach dem Ersparten, den Vermögensverhältnissen des Partners und der Familie oder dem Auto, das sie fahren, gedemütigt fühlen.

Aber haben nicht auch umgekehrt jene, die mit ihren Sozialabgaben und Steuern die staatlichen Transfers an Bedürftige finanzieren, ein Recht auf Kontrolle, dass die Empfänger wirklich bedürftig sind? Sie selber müssen immer mehr zahlen, da wächst automatisch der Wunsch, dass Missbrauch weitgehend ausgeschlossen wird. Diese Gewissheit ist die Bedingung dafür, dass der Sozialstaat weiter akzeptiert wird von jenen, die ihn finanzieren. Kontrolle ist kein Angriff auf die Sozialleistungen – im Gegenteil, sie dient dem Schutz der Bedürftigen.

Der Anspruch auf Sozialtransfers, auch auf Sozialhilfe, ist an Voraussetzungen gebunden. Das neue Arbeitslosengeld II ist keine Versicherung, die unabhängig von den persönlichen Umständen zahlt. Wer sich aus eigener Kraft helfen kann, ist nicht auf Geld des Staates, konkreter: der Mitbürger, angewiesen. Dieser Grundsatz ist ein bisschen in Vergessenheit geraten.

Niemand gibt Fremden gerne Einblick ins Privatleben oder beschafft Verdienstbescheinigungen des Partners. Und wer freut sich schon über die Aussicht auf einen Hausbesuch, bei dem Kontrolleure der Bundesagentur die Angaben über die persönlichen Verhältnisse im Antrag überprüfen? Zur Aufrichtigkeit gehört es aber auch, keine Schauermärchen über die Arbeitsmarktreform in die Welt zu setzen.

Es ist nicht wahr, dass Arbeitslose erst ihr gesamtes eigenes Geld aufbrauchen müssen, ehe sie staatliche Hilfe erhalten. Die Freigrenzen für Erspartes, Lebensversicherungen, Altersvorsorge und selbst genutztes Wohneigentum wurden sogar erhöht. Falsch ist auch die Behauptung, dass die Reform die Ärmsten am stärksten treffe. Die deutlichsten Verschlechterungen müssen die hinnehmen, die früher gut verdienten und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nur noch auf Sozialhilfe hoffen dürfen. Und der Hausbesuch bleibt die Ausnahme.

Die Reform ist für manche hart. Vielleicht müssen Details korrigiert werden. Die vorgesehene Kontrolle ist aber richtig. Nur wenn der Sozialstaat geschützt wird, kann er auch in Zukunft denen helfen, die auf ihn angewiesen sind.

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