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Kosovos Zukunft: Vom Zwerg zum Staat

Um den Status der südserbischen Provinz Kosovo zu klären, wurde ein wahres Kraftwerk der Diplomatie angeworfen. Jetzt steht es still. Aber vielleicht hat sich der Aufwand am Ende doch gelohnt.

Von Caroline Fetscher

Die Namen ganzer Länder und Regionen haben sich nach dem Kalten Krieg in Alarmsignale verwandelt. Vorneweg stand Ende der Neunzigerjahre Südosteuropa, alias „der Balkan“. Mithalten können Zentralafrika, Afghanistan, Irak, Iran, Sudans Darfur und andere. Wenigstens den vergleichsweise kleinen Krisenherd Kosovo hoffte die internationale Gemeinschaft dieser Tage abkühlen zu können. Aber alle Verhandlungen um den Status der südserbischen Provinz führten in Sackgassen. Enttäuscht stellt die Troika der Vermittler aus den USA, der Europäischen Union und Russland in ihrem Abschlussbericht an den Sicherheitsrat fest, dass ein Kompromiss zwischen Serbien, Kosovo-Albanern und Kosovo-Serben nicht zu haben ist. Nicht mit den derzeitigen Verhandlungspartnern, nicht mit Vernunft. Nicht jetzt. Noch nicht.

So viel weltweiter Wirbel um ein winziges Fleckchen europäischen Territoriums scheint übertrieben, besieht man das Resultat. Tausende Stunden waren Spitzenpolitiker wie Finnlands ehemaliger Staatschef Ahtisaari oder Deutschlands Chefdiplomat Ischinger auf Achse, um Einigung zu stiften. Das hieß massenhaft Schriftverkehr, viele Flüge in Dutzende Städte, Hotelbuchungen, Bankette, heikle Sitzordnungen an runden Tischen, Hinzuziehen alter Experten und frischerer Fachleute, dann der Gong für die nächste Runde, dann Streit, dann Beruhigung, dann neuer Streit. Ein wahres Kraftwerk der Diplomatie wurde angeworfen – und steht jetzt still.

Dennoch werden wohl keineswegs jene Auguren Recht behalten, die jetzt weitere Katastrophen vorhersagen. Die Region ist nämlich erschöpft. Was für Serbiens Bevölkerung im Augenblick Tristesse bedeutet, ihre Armut, ihre politische Lethargie, das sorgt nun dafür, dass man hier keine neuen bewaffneten Konflikte fürchten muss. Dazu fehlt es an Kraft, Mitteln und Motivation, auch wenn Nationalisten in Serbien strategisch mit Flammen drohen. Im Grunde weiß vielmehr auch der schärfste Nationalchauvinist in Belgrad, dass der Kosovo, übersät mit Massengräbern von Opfern serbischer Gewalt, auf Dauer nicht zu halten ist. Weder wird Serbien unwillige Albaner, von denen kaum Loyalität zu erwarten wäre, in eine Armee integrieren wollen, noch will das bankrotte Belgrad ein wirtschaftlich schwaches Gebiet alimentieren.

Den Köpfen der 1 800 000 Kosovo-Albaner wiederum ist klar, dass das Gebiet weiter unter aktiver Aufsicht der Nato stehen wird, und sie sich Gewalt gegen die 100 000 Kosovo-Serben nicht leisten können, wollen sie Glaubwürdigkeit behalten. In Absprache mit Brüssel und Washington wird Kosovos Führung wohl Anfang des kommenden Jahres einseitig die Unabhängigkeit erklären, vom Westen anerkannt werden, und peu a peu einen neuen Status schaffen, der auf volle Unabhängigkeit hinausläuft, die mit dem Völkerrecht kompatibel sein wird. Und dann hat sich der Aufwand eben doch gelohnt.

Wladimir Putin nutzt die aktuelle Kosovodebatte, um bei seinen Landsleuten das russische Veto gegen die Unabhängigkeit im Sicherheitsrat als ethnische Treue mit slawischen Brüdern zu vermarkten. Er inszeniert einen Konflikt in der Außenpolitik, der von der Innenpolitik ablenken soll. Auch diese Bedarfslage wird sich nach und nach ändern. Noch führen Skeptiker, vom Stammtisch bis in die Kabinette, Bedenken an. Zum Beispiel, das Gebiet sei zu klein, um sich ökonomisch zu entwickeln. Nicht nur die Beispiele kleiner Staaten wie Malta, Andorra oder Luxemburg zeigen, dass das kein tragendes Argument ist. Die optimistische Einschätzung des amtierenden Chefs der UN-Verwaltung Rücker lautet jetzt, dass Investoren in den Kosovo kommen werden, ist erst mal der Status geklärt. Andere Kritiker unken, die Loslösung des Kosovo von Serbien provoziere einen Dominoeffekt in Anrainerstaaten wie Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien. Das wurde auch für den Fall von Montenegros Unabhängigkeit befürchtet – und trat nicht einmal ansatzweise ein. Gleichmut ist trotz alledem unangebracht. Ein Unsicherheitsfaktor bleibt, und sei er noch so gering. Die Augen westlicher Demokraten müssen also offen bleiben und wach.

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