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Meinung: Krake in der Kiste

Die EU will verhindern, dass Microsoft nach den PCs auch die Unterhaltungselektronik monopolisiert

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Auf der Hitliste der meistgehassten Elektrogeräte steht der Computer zweifelsohne an Platz eins. Weltweit beginnt der Arbeitstag mit dem Morgengebet „Na mach schon!“, weil die Elektronenhirne auch 56 Jahre nach der Erfindung des Transistors immer noch quälend langsam in die Gänge kommen. Fast täglich bleiben Programme hängen, wichtige Daten verschwinden im Elektronenorkus oder die „Kiste“ stürzt einfach ab. Zusätzlichen Nervenkitzel bereiten Viren, Würmer und anderes Ungeziefer, das über die Datenleitungen auf den Schreibtisch kriechen will, und Spams, die wie Heuschrecken in elektronische Postfächer einfallen. Kein anderes Alltagsgerät, vom Mobiltelefon bis zum Toaster, ist so unzuverlässig und unausgereift wie der Computer.

Die Schuld daran trägt nach Ansicht vieler Kritiker Microsoft-Gründer Bill Gates. Er bestimmt mit seinen Betriebsystemen (MS-DOS, Windows) seit zwei Jahrzehnten de facto die technischen Standards der Branche; nach einer aktuellen Schätzung werden weltweit 96,3 Prozent aller PCs von Windows-Betriebssystemen gesteuert. Durch das Microsoft-Monopol fällt der Wettbewerb als Motor der Entwicklung in wichtigen Bereichen aus – in der PC-Welt regieren die Entwickler aus Redmond nach Art einer staatlichen Planwirtschaft.

Alle Versuche, den Expansionsdrang des Software-Kraken zu bändigen, sind bisher gescheitert. Das Monopolverfahren in den USA, bei dem es auch um die Einbindung des Internet-Browsers in die Microsoft-Betriebssysteme ging, wurde nach Vergleichszahlungen von rund zwei Milliarden Dollar eingestellt. Weil sein Internet-Explorer ein Patent verletzt, wurde Microsoft kürzlich zu 521 Millionen Dollar Strafe verurteilt. Der Gigant zahlte einen Teil und ging in die nächste Instanz – seine Software veränderte er nicht.

Jetzt will sich die EU als Dompteur versuchen. Wegen illegaler Ausnutzung seiner Monopolstellung soll Microsoft die Rekordsumme von 497 Millionen Euro zahlen. Die Brüsseler Wettbewerbshüter werfen dem Konzern vor, in Windows geheime Befehle eingebaut zu haben, über die der PC mit den zentralen Steuerrechnern im Netzwerk, den Servern, kommuniziert. Dadurch können bestimmte PC-Funktionen nur dann genutzt werden, wenn auch der Server mit einem Microsoft-Betriebssystem läuft: Microsoft benützt sein Monopol, um auch bei der Server-Software die Konkurrenz auszuschalten. Die EU verlangt deshalb die Offenlegung der entsprechenden Programmcodes.

Dazu und zur Zahlung einer Strafe wäre der Konzern, der über mehr als 50 Milliarden Dollar Barreserven verfügt, wohl bereit gewesen. Gescheitert sind die Schlichtungsverhandlungen vergangene Woche jedoch an einer zweiten Forderung der EU-Kommission: Microsoft sollte die Strategie beenden, sein Betriebssystem durch Einbindung immer neuer Anwendungen unentbehrlich zu machen und gleichzeitig die Konkurrenz auszuschalten. Konkret sollte der „Media-Player“ aus Windows entfernt werden, der neben eingebautem Browser, E-mail-Programm und Chat-Software ein Dorn im Auge der Kartellwächter ist. Sie befürchten, dass Musik und Videos im Internet künftig nur noch für den „Media-Player“ produziert werden, so dass Microsoft auch auf dem Unterhaltungsmarkt ein Monopol hätte. Microsoft bestreitet die Vorwürfe. Ein Schuft wer denkt, so eine Idee könnte von Bill Gates sein.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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