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Rafah im Bombenhagel.

© Reuters

Krieg in Nahost: Es reicht

Auge um Auge, Zahn um Zahn taugt nicht als politisches Programm. Eine Feuerpause muss darum Bestand haben – und programmatisch genutzt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da ist die 16-Jährige, die schon drei Kriege erlebt hat – und nun findet, dass es für ihr Leben reicht. Da sind die Toten auf beiden Seiten, die stumm Anklage erheben, weil es immer wieder, immer noch keine Lösung gibt. Aber immer mehr, die sterben. Da sind die Tage des Zorns und der Ohnmacht und der Angst, die sich summieren zu Jahren und Jahrzehnten: Das ist der Konflikt im Nahen Osten. Und so gewöhnt man sich an die vermeintliche Ausweglosigkeit in einer Weise, dass es zynisch wird. Wobei das Wort zynisch auch nur ein verbrämendes für menschenverachtend ist.

Absolut inakzeptabel

Die USA sagen also jetzt an die Adresse Israels gerichtet, dass der Beschuss der UN-Schule im Gazastreifen durch nichts zu rechtfertigen sei, absolut inakzeptabel. Und damit haben sie absolut recht. Aber sie kommen so spät, solche Worte, und sie sagen noch nichts übers Handeln. Zunächst einmal sind sie nur intellektualisierte Diplomatie: Der Präsident lässt den Sprecher sein Urteil ausrichten. Um den harten Worten damit sogar noch mehr Wucht zu verleihen. Ein Sprecher zeigt die Distanz auf – das ist neu. Wie der Ton zwischen Washington und Jerusalem. So weit ist es gekommen.

Aber wie geht es weiter? Hier zeigt sich das Unselige an der Distanz, die eben jener US-Präsident zugelassen hat, weil er sich selbst nie kümmerte. Weil es ihn nicht kümmerte? Jedenfalls wurde in den Zeiten, in denen Ruhe herrschte zwischen Israel und den Palästinensern, nicht geduldig und nachhaltig an einer Lösung gearbeitet, die Frieden dauerhaft garantieren würde. Und gerade die USA hätten daran arbeiten müssen: weil sie die letzte verbliebene Supermacht sind, und weil sie die Schutzmacht Israels sind, es mit Waffen und fünf Milliarden Dollar jährlich unterstützen, zugleich aus eben dieser Position mit Israels Nachbarn in der Region wie kein Zweiter reden können. Darin liegt der Zynismus begraben: Es herrschte doch Ruhe. Warum tätig werden?

Recht auf Selbstverteidigung

Aber jetzt! Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung, wer würde das bestreiten? Der es tut, verrät sich selbst. Israel darf sich andererseits nicht selbst verraten. Es ist die einzige Demokratie im Nahen und Mittleren Osten, die einzige parlamentarische Demokratie nach westlichem Maßstab. Auf diese Feststellung legt die Regierung in Jerusalem Wert. Dann kann, ja muss der Westen auf die Einhaltung der Maßstäbe Wert legen. Und ein Maßstab ist: Asymmetrische Kriegführung ist nicht erlaubt. Kein Völkerrechtsbruch, kein Kriegsverbrechen, keine Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung, gegen die Genfer Konventionen. Der Beschuss von Zivilisten, das billigende Inkaufnehmen toter Frauen und Kinder – das alles ist nicht erlaubt, keinem, der Hamas nicht, Israel aber auch nicht.

Wenn also das Kraftwerk in Gaza ausfällt, dann ist das kein technisches Versehen. Sondern es führt dazu, dass kein Trinkwasser aufbereitet werden kann, dass in Kühlschränken Nahrung verdirbt, dass lebensnotwendiger Strom fehlt, dass Brutkästen ausfallen und in Krankenhäusern nicht operiert werden kann. Auge um Auge, Zahn um Zahn taugt nicht als politisches Programm.

USA haben sich besonnen

Eine Feuerpause muss darum Bestand haben – und programmatisch genutzt werden. Endlich haben sich die USA besonnen aufs Handeln, und vielleicht tritt ihnen ja der mächtigste europäische Verbündete an die Seite, Deutschland, um allseits die Distanz zu verkürzen. Ohne Katar und die Türkei, die als Vermittler diskreditiert sind, dafür mit der palästinensischen Autonomiebehörde und Mahmut Abbas, mit Jordanien und vor allem mit Ägypten, der arabischen Vormacht, muss der Ausweg gefunden werden. Jetzt. Auf diplomatischem Weg.

Das Ende der Blockade, die Öffnung des Hafens unter internationaler Aufsicht, die Ausweitung der Fischereizone auf zwölf Meilen, ein Fonds mit Millionen Dollar zum wirtschaftlichen Aufbau Gazas unter Führung von Abbas – damit würde Israel die Hamas besiegen.

Frieden ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Schluss mit dem Krieg. Es reicht.

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