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Meinung: Krieg und Frieden: Atem holen für die lange Schlacht

Es läuft nicht gut für die Amerikaner. Mit großer Selbstsicherheit hat die Weltmacht vor fast vier Wochen den Feldzug gegen Osama bin Laden und die Taliban begonnen - mit der Gewissheit, das Völkerrecht, die Moral sowie eine große internationale Koalition hinter sich zu haben und über die militärischen Mittel zum Sieg zu verfügen.

Es läuft nicht gut für die Amerikaner. Mit großer Selbstsicherheit hat die Weltmacht vor fast vier Wochen den Feldzug gegen Osama bin Laden und die Taliban begonnen - mit der Gewissheit, das Völkerrecht, die Moral sowie eine große internationale Koalition hinter sich zu haben und über die militärischen Mittel zum Sieg zu verfügen. 26 Tage haben genügt, um die Stimmung völlig zu verändern. Die USA haben zwar die Lufthoheit errungen und zerstören Stellungen ihrer Gegner. Aber das zählt kaum, solange sie keines der großen Kriegsziele erreichen: bin Laden zu fangen und das Taliban-Regime zu stürzen. Ins Bewusstsein dringen dagegen die Nachrichten und Bilder über die zivilen Opfer, über Fehlschläge und neue Flüchtlingsströme - auch wenn unklar bleibt, wie viel davon wahr ist und wie viel nur Propagandalüge der Taliban. Unschuldige Opfer gibt es gewiss, der klinisch saubere Krieg ist eine Illusion.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Krieg - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Jetzt wollen die Taliban auch noch Amerikaner in Afghanistan festgenommen haben. Die Meldung - auch sie bisher unbestätigt - ruft die Erinnerung an Somalia wieder wach. Die Bilder eines gefolterten US-Soldaten, der hinter einem Jeep durch den Staub geschleift wurde, lösten in Amerika den Ruf aus: Schluss mit diesem Krieg!

Immer mehr Menschen fragen: Ist so ein Krieg noch legitim, der Tod und Zerstörung bewirkt, ohne zu sichtbaren Erfolgen zu führen? Der die innere Stabilität der Nachbarstaaten gefährdet und die internationale Koalition gegen Terror langsam zu sprengen droht. Sollten die USA nicht wenigstens 24 Stunden innehalten, um ihre Strategie zu überdenken? Hilfsorganisationen fordern eine Feuerpause, um ihre Lager für den Winter aufzufüllen. Die Advokaten dieser Fortsetzung des Kriegs mit politischen Mitteln berufen sich auf UN-Generalsekretär Kofi Annan, der den Krieg so schnell wie möglich beenden wolle.

Das ist die Stimmung hierzulande. Die in Amerika ist ganz anders. Der Präsident hat von Anfang an gesagt, dies werde ein langer Krieg mit vielen Opfern. Die Taliban werden in die Enge getrieben, kommen nicht mehr zur Ruhe, können jetzt weder Terroristen ausbilden noch neue Anschläge vorbereiten. Der Sturz ihres Regimes - nur eine Frage der Zeit. Auch die USA nennen Kofi Annan als Kronzeugen: "So früh wie möglich" heiße nicht Feuerpause, sondern: sobald die Taliban gestürzt sind. Der UN-Generalsekretär hat doch hinzugefügt, er sei einer Meinung mit denen, die den Krieg führen. Und die mangelnde Effizienz des Feldzugs? Zu viel Rücksichtnahme auf die Anti-Terror-Allianz, sagen immer mehr, etwa auf Pakistan, das sich gegen den Sturz der Taliban stemmt. Gefangene Amerikaner werden den Willen, alle Mittel für einen Sieg einzusetzen, nur verstärken. Denn dieser Krieg begann mit 5000 Toten in New York.

Zweifeln kann man nicht nur am Sinn des Krieges, sondern ebenso am Sinn einer Feuerpause. Was soll sie bringen außer einer Beruhigung des eigenen Gewissens? Nachdenken müssen die Militärs, ob mit oder ohne Bombenruhe. Noch mehr Hilfsgüter nach Afghanistan: Das hieße, den Gegner für den Winter zu versorgen. Die Taliban haben bereits mehrere Lager für ihre Truppen geplündert. Andere ließen sie unbehelligt, verboten jedoch, Flüchtlingen aus den Beständen zu versorgen. Hunderttausende sind so in den letzten Jahren unter Taliban-Herrschaft verhungert, obwohl Hilfe bereitstand. Millionen sind nach Pakistan und Iran geflüchtet. Flüchten zu müssen, ist ein schlimmes Schicksal, doch in Taliban-Afghanistan noch die beste Überlebenschance. Ihr Regime ist das wahre Hindernis für Hilfe, nicht die Militäroperationen der USA.

Die Feuerpause wäre eine Atempause für die Taliban, sich und ihre Truppen zu reorganisieren. Die Wiederaufnahme der Kämpfe würden sie mit immer neuen Scheinangeboten hinauszuzögern versuchen. Verhandeln mit den Taliban hieße, Afghanistan oder Teile davon ihnen zu überlassen - also, die Wurzel des Übels unangetastet zu lassen. Der Krieg ist in der Krise, aber nach nur 26 Tagen ist er nicht gescheitert. Er ist härter und trauriger, als viele gehofft hatten. Und es ist unsicher, was er noch bringt. Von einer Feuerpause kann man dagegen ziemlich sicher sagen, dass sie im Krieg gegen den Terror zu keinem guten Ende führt.

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