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Meinung: Langsam öffnen sich die Akten Im Streit um Kohls Stasi-Papiere kriegt Birthler ein bisschen Recht

Für juristische Laien mutet das Ergebnis widersprüchlich an: Der Vorsitzende Richter weist Helmut Kohls Begehren zurück, seine Akten auch nach der Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes unter Verschluss zu halten. Aber die Birthler-Behörde kann zunächst dennoch keine Akten über den Ex-Bundeskanzler herausgeben, weil das Urteil noch keine Rechtskraft hat.

Von Matthias Schlegel

Für juristische Laien mutet das Ergebnis widersprüchlich an: Der Vorsitzende Richter weist Helmut Kohls Begehren zurück, seine Akten auch nach der Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes unter Verschluss zu halten. Aber die Birthler-Behörde kann zunächst dennoch keine Akten über den Ex-Bundeskanzler herausgeben, weil das Urteil noch keine Rechtskraft hat. Kohl wird, das haben seine Anwälte umgehend angekündigt, alle Rechtsmittel ausschöpfen. So schwer verständlich sind sie manchmal, die Sprüche der unbestechlichen Justitia.

Das Gericht hatte zwischen sehr hohen Gütern abzuwägen: Der Intention des Stasi-Unterlagengesetzes, die Geschichte des Unrechtsapparates aufzuklären, die einen bedeutenden gesellschaftspolitischen Wert hat. Und dem Buchstaben des Grundgesetzes, auf dessen angebliche Verletzungen sich die Kohl-Anwälte beriefen, weil Kohl ja nicht Täter, sondern Opfer der Stasi war. Das Gericht hat zugunsten der Birthler-Behörde entschieden, zugunsten des novellierten StasiUnterlagengesetzes, zugunsten des Öffentlichkeitsinteresses. An diesem Urteil und an seiner Begründung ist zunächst nicht zu rütteln. Das haben auch die Vertreter der unterlegenen Seite anerkannt.

Dennoch: Der Vorsitzende Richter Hans-Peter Rueß hat die Kohl-Anwälte geradezu demonstrativ auf ihre Möglichkeit hingewiesen – eine Berufung oder eine Sprungrevision. Das fiel wohl allen Anwesenden im Plenarsaal auf. Er hat damit nämlich zugleich angedeutet: Hier geht es um die Konkurrenz so grundsätzlicher Werte unseres freiheitlich-demokratisch verfassten Staatswesens, dass eine höchstrichterliche Entscheidung geboten sein könnte.

So müssen wir uns offenbar auf einen längeren Verfahrensweg einrichten. Und so lange wird die Öffentlichkeit nichts über Details von Kohls Amtsführung als Bundeskanzler erfahren. Aber auch danach, wenn die Unterlagen vielleicht doch einmal freigegeben werden, dürften sich viele die Augen reiben: Das soll alles gewesen sein? Nach den unverrückbaren Kriterien, denen die Birthler-Behörde zu folgen hat, wird sie nur Akten herausgeben, die Informationen und Analysen der Stasi aus öffentlich zugänglichen Quellen enthalten – keine Abhörprotokolle, keine IM-Berichte, keine abgefangenen Faxe. Das hat gestern der Behördendirektor Hans Altendorf mehrmals betont. Also alles nur ein Sturm im Wasserglas? Nein. Es ist notwendig, dass es sich der Rechtsstaat so schwer macht mit seiner Entscheidung. Ein leichtfertiger Umgang wäre weder der Stasi-Materie noch den Grundrechten angemessen.

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