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Der Dioxin-Skandal weitet sich immer mehr aus.

© dapd

Lebensmittelproduktion: Dioxin-Skandal: Fette Beute

Deutschland – die überregulierte Republik? Von wegen. Für den normalen Bürger ist der Dioxin-Skandal ein Lehrstück über die dunklen Seiten der Lebensmittelproduktion. Die Selbstkontrolle der Branche hat komplett versagt.

Fassungslos macht, wie risikolos betrogen werden kann und wie ungenügend die Kontrollen sind. Die Besitzer von über 4700 gesperrten Agrarbetrieben bangen um ihre Existenz, zehntausende Schweine und Legehennen müssen eventuell getötet werden, es gibt Verkaufsverbote von Eiern und Fleisch aus Deutschland in England, Südkorea und der Slowakei – und die Politiker schlagen nun Regelungen vor, die man auch ohne Skandal längst für ebenso naheliegend wie selbstverständlich hielt. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner etwa setzt sich dafür ein, Futtermittelherstellung und Produktion von Industriefetten zu trennen. Und das Land Niedersachsen schlägt vor, technische Fette anders einzufärben als Futtermittel-Fette.

Wo Missbrauch möglich ist, gibt es ihn auch – deshalb etwa wird Heizöl eingefärbt, weil Dieselfahrer es als preiswerten Ersatztreibstoff nutzten. Doch ausgerechnet bei Lebensmitteln haben es Bund und Länder der Industrie weitgehend überlassen, ihre eigenen Produkte zu überwachen. Auch deswegen ist es hierzulande erlaubt, Lebensmittel „ohne Geschmacksverstärker“ und „ohne künstliche Aromen“ anzupreisen, obwohl diese Stoffe nach Studien der Verbraucherzentralen in den meisten Fällen tatsächlich enthalten sind. Das nennt man wohl Betrug.

Der Dioxin-Skandal zeigt deshalb nur besonders drastisch, wie die Selbstkontrolle der Branche versagt. Bereits im März 2010 hatte ein privates Labor hohe Dioxinwerte beim Futterfett-Hersteller Harles und Jentsch festgestellt. Schon damals hätten die Werte gemeldet werden müssen, wettert nun Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister. Glaubt er wirklich, ein krimineller Unternehmer, der an jeder Tonne Giftfett 500 Euro verdient, zeigt sich selbst an? Die naheliegendere Frage ist doch, warum Labore nicht verpflichtet sind, ihre Ergebnisse auch dem Ministerium mitzuteilen. Selbst das aber hat noch niemand gefordert.

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