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Person holding joint.

© Unsplash / Elsa Olofsson / cbdoracle.com/news

Große Lösung, großes Risiko: Die Cannabis-Legalisierung könnte an Lauterbachs Anspruch scheitern – und an Brüssel

Nicht nur der Konsum, auch Produktion und Vertrieb von Cannabis sollen nach den Plänen des Gesundheitsministeriums straffrei werden. Ein Novum in Europa.

Für den Gesundheitsminister ist es das Eine-Million-Euro-Gesetz. Um zu verstehen, warum Karl Lauterbach in den letzten Monaten großen Ehrgeiz entwickelte, ein umfassendes Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung auszuarbeiten, lohnt ein Blick in den Haushaltsplan des Bundes.

In den nämlich schrieben die fürs Gesundheitsministerium zuständigen Ampel-Haushälter im Frühjahr einen „Sperrvermerk“, mit dem vorläufig eine Million Euro im PR-Etat Lauterbachs blockiert wurde: Das Geld wäre verfallen, wenn der Minister bis Jahresende keinen Aufschlag für ein Cannabis-Gesetz gemacht hätte.

Diese Gefahr ist nun gebannt, die am Mittwoch offiziell vorgestellten Eckpunkte für Lauterbach damit ein PR-Erfolg im doppelten Wortsinn. Ob damit die Legalisierung wirklich kommt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn nach wie vor ist die Cannabis-Legalisierung ein Projekt vor allem von Grünen und FDP, sie wollen hier in seltener Eintracht ein Ausrufezeichen hinter die tot geglaubte „Fortschrittskoalition“ setzen.

Wenig Ehrgeiz in der Sache

Lauterbach sowie einem Großteil der zuständigen Arbeitsebene im Ministerium unterstellen die beiden cannabisliberalen Ampel-Partner deutlich weniger Ehrgeiz in der Sache, gelegentlich auch das Gegenteil. Etwa dann, wenn der Minister großen Wert darauf legt, dass Brüssel den Eckpunkten zustimmen muss. Sollte die EU den Daumen senken, sagt er, sei die Cannabis-Legalisierung vom Tisch.

Der Korridor, durch den das Projekt in Brüssel muss, heißt es im Ministerium, sei denkbar eng. Das liegt nicht zuletzt am Anspruch, mit der Cannabis-Legalisierung in Deutschland einen Weg zu gehen, der so in Europa noch nicht erprobt wurde.

Dreh dir einen. Demnächst ganz legal? Da muss Brüssel mitspielen..
Dreh dir einen. Demnächst ganz legal? Da muss Brüssel mitspielen..

© dpa / Fabian Sommer

Während in anderen EU-Staaten zwar der Konsum und Erwerb legalisiert wurde oder zumindest nicht mehr strafbewehrt ist, will die Bundesrepublik „die große Lösung“. Auch Produktion und Vertrieb – sprich der Weg vom Samen bis zum Joint – soll legalisiert und reguliert werden, zudem zwingend nur auf deutschem Boden stattfinden.

Unnötige Stolpersteine

Vorbild sind hier Kanada oder auch einzelne Bundesstaaten der USA. Ob Brüssel und vor allem andere EU-Staaten, die indirekt ebenfalls mitreden, dazu bereit sind? Die Aussichten sind bescheiden – weshalb von FDP und Grünen auch darauf gedrängt wird, sich bei der Entscheidung von Brüssels Placet zu emanzipieren oder unnötige Stolpersteine aus den Eckpunkten zu nehmen, die Kollisionen mit EU-Recht befürchten lassen.

Unabhängig davon hat der Ansatz Lauterbachs viel für sich. Es gehe um die Reduzierung gesundheitlicher Risiken, betont er. Da der Zugang zur Droge faktisch sowieso kaum beschränkt werden kann, so das Argument, sei es besser, Cannabis nach deutschem Reinheitsgebot zur Verfügung zu stellen. Droht dadurch aber letztlich eine Ausweitung des Konsums? Man kann es schwer vorhersagen.

Eine Hoffnung indes steht auf wackligen Füßen: Dass mit der Legalisierung von Cannabis der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird. Zum einen, weil es für die vielen anderen illegalen Drogen weiterhin Dealer geben wird. Zum anderen, weil auch die Konsumenten preissensibel reagieren. Reguliertes Cannabis könnte, wie jedes Produkt „made in Germany“, empfindlich teurer sein als illegale Ware.

Der Energieverbrauch etwa ist hierzulande deutlich höher als bei Blüten, die in wärmeren Regionen im Freilandanbau geerntet werden; zudem ist eine komplette Produktions- und Vertriebskette in der Bundesrepublik mit erheblichen Sach-, Personal- und Verwaltungskosten verbunden. Das wird sich nicht jeder leisten wollen oder können und lieber dem Schwarzmarkt treu bleiben, der versucht sein dürfte, mit Dumping auf die neue Konkurrenz zu reagieren.

Zu verhindern, dass sicheres Kiffen zur sozialen Frage wird: Das wäre dann ein Punkt, bei dem sich die Sozialdemokraten wiederum berufen fühlen könnten, einzugreifen. Doch bis es darum geht, gilt es noch genügend andere Hürden zu überwinden.

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