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LEICHTS Sinn: Der Staat ist die Einheit

Nun naht sich bald der 3. Oktober – und damit der 20. Jahrestag der staatlichen Herstellung der zweiten deutschen Einheit. Die Bedeutung des 3. Oktober 1990 wird unterschätzt.

Die Begeisterung und die Feierlichkeit werden weit hinter dem Gedenken an den Mauerfall vor 21 Jahren zurückbleiben. Das ist einerseits verständlich – andererseits aber sehr ungerecht. Denn so überbordend die Emotionen in der Nacht des 9. November 1989 und in den Tagen, Wochen, ja Monaten danach waren – dies alles hätte sich auch in innerdeutscher Verwirrung und internationalem Chaos vertun können, wäre nicht in vielen Akten ziemlich gelungener Staatsmannschaft diese Bewegung in geordnete staatliche und zwischenstaatliche Formen überführt worden.

Vielleicht muss man ja – mit Gustav Heinemann – wirklich nur seine Ehefrau, respektive seine(n) Partner(in) lieben, und nicht etwa sein Vaterland oder seinen Staat oder gar seine Politiker. Aber die staatsmännische Leistung vieler – auf deutscher Seite vor allem Helmut Kohls (trotz mancher Patzer und Pannen) und Hans-Dietrich Genschers – , von Michail Gorbatschow bis George Bush sen., nicht zu feiern, käme mir einigermaßen schofel vor.

Gewiss, Staatsmannschaft ist nicht so anschaulich wie das Bild tausender Menschen auf den Straßen. Auch haben die Deutschen aus ihrer zunächst übertriebenen Staatsverherrlichung den Fehlschluss gezogen, sicherheitshalber den Staat als solchen zu verachten, als vielmehr ihre eigene (vormalige?) bürgerliche Unselbständigkeit. Und schließlich hat die deutsche Linke, von der SPD bis zu vielen Intellektuellen, an dem staatlichen Prozess der Einigung schon deshalb keinen Gefallen gefunden – und damit die gemeinsame (um ja nicht zu sagen: patriotische) Freude am Gelingen der staatsmännischen Aufgaben vergällt –, weil sie vom staatlichen Geschehen ausgeschlossen blieb. Was Wunder, da sie doch mit einem Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine ins Einigungs- und spätere Wahljahr zog, der in diesen freiheitlichen Umwälzungen nur eine Gefahr für seine Kanzlerambitionen erkannte – und sich dann das ganze Jahr über auch so verhielt, dass er und seine SPD gemeinsam die historische Herausforderung rundum verfehlten.

Das alles könnte inzwischen weit hinter uns liegen, wenn nicht immer aufs Neue historisch fatale Mythen ins öffentliche Bewusstsein geträufelt würden – wie dies zuletzt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck getan hat. Es bleibt mir immer wieder ein Rätsel, wie Politiker, die damals mit ihren Parteien (Platzeck war damals doch noch beim Bündnis 90) Mühe hatten, in beiden Teilen Deutschlands die Fünfprozenthürde zu nehmen, sich einbilden konnten, sie könnten die ökonomisch marode DDR im heiklen internationalen Umfeld so lange über Wasser halten, bis man irgendeine nagelneue Verfassung ausgedacht hat; und wie sie glauben konnten, aus ihrer minoritären Position einer solchen Verfassung einen freiheitlicheren Stempel aufzudrücken als dem Grundgesetz, ganz abgesehen von der Frage, welche grundstürzend neue Ideen denn hätten in Lettern gegossen werden sollen.

Dabei war es doch eine große staatsmännische Leistung gewesen, die demokratisch gewählte Volkskammer erst einmal von einer überstürzten Beitrittserklärung abzuhalten – damit die internationale Frage vor der deutschen Frage beantwortet werden konnte. Dass es danach schnell gehen musste, zeigte alsbald das Schicksal Gorbatschows.

Mein Wunsch also zum 20. Jahrestag des 3. Oktober 1990: Ein bisschen mehr historischen Realismus anstelle nacheilender politischer Romantik. Und ein wenig mehr Anerkennung für staatsmännische Leistungen – sowie für den Staat, den wir Deutschen nun endlich gemeinsam haben. In Freiheit!

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