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LEICHTS Sinn: Und immer grüßt die NPD

Ein Verbotsantrag samt Überwachung der Partei funktioniert nicht.

Mit der Regelmäßigkeit eines schottischen Seeungeheuers taucht die Forderung auf, nicht nur in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit, man solle neuerlich ein Parteiverbot der rechtsextremistischen NPD betreiben. Und ebenso regelmäßig taucht diese Forderung auch wieder unter. Soll es bei diesem Auf und Ab bleiben?

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich halte die NPD in der Tat für verfassungsfeindlich. Doch erstens kommt es auf meine Ansicht nicht an; deswegen verhänge ich auch nur das unverbindliche Etikett „verfassungsfeindlich“ – wohingegen das verbindliche Urteil „verfassungswidrig“ allein den Karlsruher Richtern zusteht. Zweitens aber ist die Frage der Verfassungsfeindlichkeit nur eine der beiden Fragen, die sich vor einem Verbotsantrag stellen. Denn ein Verbot ist nur dann wirklich geboten, wenn die betreffende Partei außerdem auch noch gefährlich ist für das politische System.

Für die Verfassungswidrigkeit ist also nur das Bundesverfassungsgericht zuständig; es muss dazu besonders hohe Hürden nehmen, nämlich erstens in einem zweistufigen Verfahren entscheiden, und das, zweitens, jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit, also mit mindestens sechs von acht Stimmen. Für die Vorfrage nach der Gefährlichkeit sind aber allein jene politischen Instanzen in Parlamenten und Regierungen zuständig, die einen Verbotsantrag stellen dürfen. Nur verfassungswidrige Parteien dürfen demnach verfassungsgerichtlich verboten werden – aber nicht gegen jede mutmaßlich verfassungswidrige Partei muss ein Verbotsantrag gestellt werden; selbst die Karlsruher Richter dürfen nicht etwa selbstständig tätig werden, sondern nur, wenn eine der politischen Instanzen Gefahr im Verzug wittert.

Vernünftigerweise sollte man die Gefahrendiagnose dabei folgendermaßen beschränken: Eine Partei ist in diesem Sinne erst dann gefährlich, wenn sie auf dem spezifischen Betätigungsfeld von Parteien, also bei Wahlen, im Gewinn von (erheblich vielen) Mandaten und durch Macht oder Blockade im parlamentarischen Betrieb das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie ernstlich stören könnte. Demnach wäre jedenfalls alles, was sich unter fünf Prozent abspielt, sowieso ungefährlich – und wenn es darüber hinausgeht, muss man immer noch nüchtern hinschauen.

Wenn aber die Mitglieder einer Partei – einzeln oder gemeinschaftlich – immer wieder Straftaten, skandalöse zudem, begehen? Dann ist dies ein Fall für die klassische Strafverfolgung – eine Herausforderung, die auch mit einem Parteiverbot keinesfalls enden würde, sondern im Untergrund vielleicht sogar komplizierter würde. (Übrigens: Wenn eine Partei über Jahrzehnte schwarze Kassen unterhält, dann kommt ja auch nicht der Verbotsantrag, sondern allenfalls der Staatsanwalt – und meist nicht einmal der, sondern nur ein böser und teurer Brief von Wolfgang Thierse & Nachf.)

Wenn man sich aber gegen eine ernste Gefahr schützen will, die von einer Partei ausgeht und sei es mit dem Nebengedanken, dass man das strafwürdige Treiben ihrer Mitglieder nicht auch noch durch Parteifinanzen erleichtern will, dann muss man sich klar entscheiden, wie man diesen Schutz gewährleisten will: entweder durch eine permanente und ziemlich lückenlose geheimdienstliche Überwachung, ja Unterwanderung dieser Partei – oder durch ein abruptes Verbot. Beides kann man nicht gleichzeitig haben, weder faktisch noch rechtlich. Weil jedoch dieser Strategiekonflikt seinerzeit nicht klar entschieden worden war, ist der erste Verbotsantrag – wie beizeiten vorhergesagt (nebenbei: nicht nur von mir, falls diese Erinnerung erlaubt sein sollte) – in Karlsruhe gescheitert. Mindestens eine zweite solche Blamage sollten sich alle ersparen.

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