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LEICHTS Sinn: In den Ländern war Leben in der Bude

Rückblick auf den Superwahltag 27. September: Spannender waren dieses Mal die Landtagswahlen

Nun sind die Folgen der Wahlen vom 27. September fürs Erste aufgearbeitet. Im Bund wie in den drei beteiligten Ländern sind die Koalitionen geschmiedet, die Kabinette gebildet und die Regierungserklärungen abgegeben worden. Zieht man einen Strich unter den Superwahltag, so zeigt es sich: Die gewöhnliche Geringschätzung der Landtagswahlen ist unberechtigt. Mehr Dramatik war jedenfalls dieses Mal in Brandenburg, Saarland und Thüringen drin – im entscheidenden Augenblick oft sogar mehr Entschlossenheit und Zivilcourage.

Vielleicht noch am wenigsten in Brandenburg, obgleich Matthias Platzecks Entscheidung, sich anstelle der CDU nun die Linkspartei als Partner zu wählen, jedenfalls durch seinen nachgeschobenen zeitgeschichtlichen – freilich recht schiefen – Vergleich schon wieder etwas „Mutiges“ an sich hat. Wohl wahr, Kurt Schumacher hat auch mit früheren SS-Leuten geredet, die zu Teilen wider ihren Willen in die Waffen-SS eingezogen worden waren. Aber der erste Nachkriegsvorsitzende der SPD hatte ganz gewiss nie die Absicht, mit der HIAG, einer Hilfs- und Nachfolgeorganisation der vormaligen SS-Leute ein politisches Bündnis einzugehen. Rot-rote Koalitionen an sich sind im Osten ja nicht Neues. Aber dass jemand als Regierungschef erst die Wahl hat und dann sagt: Mir ist ein linkspopulistischer Partner lieber als eine Partei, mit der ich schon lange regiert habe – das hat beinahe schon wieder etwas.

Interessanter sieht die Sache im Saarland aus. Dass Peter Müller – um Ministerpräsident zu bleiben – über Schatten sprang, die er so lange nicht geworfen hat, und das erste Jamaika-Bündnis auf Länderebene angesteuert hat, das kann man auch unter verzweifelter Machtsicherung verbuchen. Aber dass Hubert Ulrich von den Grünen, der die Wahl zwischen Rot- Rot-Grün und Jamaika hatte, sich gegen die erwartbare Lösung entschied und sein ganzes politisches Vermögen einsetzte, um die Premiere für ein Regierungsmodell zu wagen, das vielen Grünen noch verwegen bis verfehlt erscheinen mag, aber sich als zukunftsträchtig erweisen könnte – das verdient erheblichen Respekt. Es zeigt auch, dass Courage im politischen Geschäft zwar selten sein mag, dennoch aber belohnt werden kann.

Am interessantesten bleibt Thüringen. Wie es Christine Lieberknecht und Christoph Matschie unter Einsatz erheblicher Nervenstärke gelungen ist, jeweils gegen zähe Widersacher im eigenen Lager eine Koalition der Vernunft durchzusetzen, das verdient schon fast meine Bewunderung. Frau Lieberknecht hatte es mit dem keineswegs erquicklichen System Althaus zu tun, Matschie mit dem Versuch zweier aus dem Westen importierter Linkspopulisten (Bodo Ramelow von der Linkspartei und Richard Dewes vom linken SPD- Flügel), die dem vom real existierenden Sozialismus genesenen Thüringen nochmals zeigen wollten, wie Sozialismus richtig funktioniert; dass Dewes dabei immer so tat, als verkörpere er Volkes Stimme, obwohl er bei allen parteiinternen Abstimmungen stets deutlich gegen Matschie unterlag, wirkte dabei besonders aberwitzig. Dass aber zwei authentisch thüringische und lutherische Theologen, Lieberknecht und Matschie, diesen Doppelspuk niederrangen und sagten: „Hier stehen wir, wir wollen nicht anders!“, will mir sehr gefallen – und kann vor allem dem Land und seiner politischen Kultur guttun.

Dies alles sind zwar erst einmal nur Anfänge. Nach ein paar Jahren wird man weitersehen. Aber sage niemand, die Politik in den Ländern sei langweilig.

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