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LEICHTS Sinn: Kreuze im Gericht?

Der Staat darf sich einfach keiner religiösen Symbole bedienen

Ein Umzug ist eine Gelegenheit, sich von gewohntem Hausrat zu trennen, den man zwar längst nicht mehr brauchte, den man aber auch noch nicht entsorgen wollte. Das mögen sich auch die Präsidenten des Amts- wie des Landgerichts in Düsseldorf gedacht haben. Sie haben entschieden, beim Umzug in ihr neues Dienstgebäude die Kruzifixe, die bisher in den Gerichtssälen hingen, nicht mitzunehmen. Ein Skandal, wie nun manche schimpfen – oder eine verständliche Entscheidung? Um es (nur etwas) zugespitzt zu sagen, und zwar (das mag die kleine Provokation dabei sein) auch aus betont christlicher Sicht – also nicht nur staatsrechtlich betrachtet: Sie hätten schon im alten Gebäude längst abgehängt gehört! Wie das?

Zunächst das Staatsrecht: Schon die Weimarer Verfassung, deren Religionsartikel unverändert ins Grundgesetz übernommen wurden, enthielt dazu eine glasklare Bestimmung: „Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.“ Mit anderen Worten: Wo immer der Staat mir, Pflichten einfordernd, gegenübertritt, haben religiöse Anmutungen, Zumutungen und Symbole nichts verloren. Mein Staats- und Kirchenrechtslehrer pflegte den Kandidaten für Staatsexamen, die ihren Lebenslauf etwa mit dem Satz begannen: „Ich, NN, lutherischen Bekenntnisses, geboren am …“, die Akte sofort mit der Bemerkung zurückzugeben: „Das gehört nicht hierher!“ Er hätte auch sagen können: Sie haben in der entsprechenden Vorlesung offenbar geschlafen.

Eigentlich müsste der Verzicht auf religiöse Symbole auch für die staatlichen Klassenzimmer gelten. Aber aus juristisch völlig unerfindlichen Gründen hatte das Bundesverfassungsgericht einstmals freihändig judiziert: Diese Religionsartikel gelten nicht für die Schulen, obwohl auch dort eine staatliche Pflicht zu erfüllen ist – die Schulpflicht eben. (Aus dieser widersprüchlichen Gemengelage entwickelte sich später der Streit um das Kruzifix-Votum aus Karlsruhe.) Ganz bestimmt aber darf niemand gezwungen werden, vor einem religiösen Symbol in einem staatlichen Gerichtsverfahren auszusagen. Und zwar weder der Anhänger einer anderen Religion noch der Atheist; noch muss ich es mir als Protestant gefallen lassen, dass der Staat es sich herausnimmt, mir mein religiöses Symbol als staatliche Zumutung vorzuhalten. Erst recht geht es nicht an, dass der Staat verlangt: Wenn es dir nicht passt, sag’s doch, dann hängen wir es im Einzelfall ab. Denn auch das steht im Grundgesetz: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ Auch nicht seine atheistische!

Und nun das Christliche: Just Christen müssten sich dagegen verwahren, dass ihr kardinales Symbol, dass die Erinnerung an Christi machtlosen Opfertod dazu benutzt wird, der Staatsmacht, auch der demokratischen Staatsmacht den Rücken zu stärken. Schon der religiöse Eid mit der Formel „So wahr mir Gott helfe“ ist, genau genommen, theologisch unerträglich. Denn er soll ja, etwas ausführlicher formuliert sagen: „Falls ich nicht die Wahrheit sage oder mein Amtsversprechen nicht halte, soll ich unter Menschen derart verflucht sein, dass nur noch Gott mir helfen kann:“ Diese Selbstverfluchung zu verlangen (und auszusprechen!), ist menschlich wie theologisch ein Skandal in sich. (Es ist übrigens etwas ganz anderes, ein Amt anzutreten mit der Formel und der subjektiv nur zu berechtigten Bitte, fast mit einem kleinen Gebet: „Ja, mit Gottes Hilfe!“)

Gerade wer seine gesellschaftliche Verantwortung aus etwa christlicher Sicht wahrnehmen will, muss um der eigenen Überzeugung und der Freiheit anderer willen auf einer klaren Trennung der Sphären bestehen.

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