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LEICHTS Sinn: So einfach gibt es in Afghanistan keinen Frieden

Bei ihrer Kriegskritik lässt es Bischöfin Margot Käßmann an Urteilskraft fehlen.

Dass über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan leidenschaftlich diskutiert wird, liegt in der Natur der Sache. Auch dass es für gegensätzliche Ansichten starke Begründungen geben kann. Dabei kann dann auch herauskommen, dass der Krieg gegen die Taliban zwar völkerrechtlich legitim, aber praktisch schon deshalb nicht zu gewinnen ist, weil keine der Interventionsmächte die militärischen und ökonomischen Lasten schultern möchte, unter denen ein Sieg allenfalls möglich wäre – also: ab mit Schaden!

Was aber nicht vertretbar ist, das ist die Simplizität, mit der sich Margot Käßmann, die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), über die Weihnachtszeit in einer Kaskade von Predigten und Interviews zum Thema Afghanistan geäußert hat, wobei die Schwankungen in ihren Äußerungen gar nicht erst auf die Goldwaage gelegt werden sollen: einmal heißt es, der Einsatz sei in „keiner Weise zu rechtfertigen“, ein anderes Mal „so nicht zu rechtfertigen“. Wie denn nun: so nicht, aber anders vielleicht doch?

Das prinzipielle Problem kirchlicher Äußerungen zum Thema Krieg besteht darin, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder – die scheinbar (!) einfachste Variante – entscheidet man sich für einen bedingungslosen Pazifismus: dann bleibt man selber, wie man glaubt, moralisch sauber, muss allerdings eben zugleich mit verantworten, was anderen auch durch den verweigerten bewaffneten Beistand zugefügt wird. Oder man lässt in extremen Ausnahmen den Einsatz von Soldaten zu, bindet ihn aber an strenge Kriterien, wie es seit Thomas von Aquin unter dem Stichwort des (eben noch) „gerechtfertigten Krieges“ (bellum iustum) geschieht: ein gerechter Grund, eine berufene Autorität etc.pp.

Die jüngste Friedensdenkschrift der EKD, auf die sich auch Margot Käßmann bezieht, verwirft zwar auf der begrifflichen Ebene das Konzept eines „gerechten Kriegs“, buchstabiert aber – weil es diesseits des radikalen Pazifismus auch gar nicht anders geht – mit modernen Worten genau den Kriterienkatalog durch, der seit dem Aquinaten (und übrigens auch bei Martin Luther) für den „gerechtfertigten Krieg“ gilt. Das einzig neue Kriterium ist das Erfordernis einer internationalen Legitimation möglichst durch die Uno. Weshalb aber geht Margot Käßmann nicht wenigstens mit einem Wort darauf ein, dass die Afghanistan-Intervention der bisher einzige Militäreinsatz ist, dem – anders als noch in Ex-Jugoslawien oder im Irak – eine lückenlose Legitimation durch die Uno zugrunde liegt?

Wer jedoch nicht umhin kann, die Ausnahmekriterien des eben noch gerechtfertigen Krieges hinzunehmen, der muss sich allerdings der größtmöglichen Sorgfalt, der genauesten Kenntnis der politischen, historischen und aktuellen militärischen Umstände an Ort und Stelle befleißigen. Auf der Ebene der Käßmannschen Antwort auf die Frage, wie man Hitler anders als mit Gewalt hätte begegnen können, geht es jedenfalls nicht: „Das Argument lautet immer: Hätten die Alliierten nicht eingegriffen, hätte es keinen Frieden gegeben. Warum gab es vorher keine Strategien? Warum wurde die Opposition in Deutschland nicht gestärkt?“ Selbst im Nachhinein würde es viele interessieren, wie die EKD-Ratsvorsitzende sich vorstellt, dass die Opfer deutscher Aggression dem unbedingten Willen Hitlers zum Eroberungs- und Vernichtungskrieg durch „zivile Konfliktbewältigung“ hätten begegnen können.

Afghanistan, das ist gewiss eine andere Geschichte. Aber auch da wäre es besser, die Ratsvorsitzende würde sich vor öffentlichen Äußerungen eingehender mit dem Rat von erfahrenen Historikern, Außenpolitikern und Militärs versehen. Niemand macht sich kleiner, wenn er Rat sucht – und auch anhört. Wer ein moralisches Vorbild sein möchte, muss zuvor eines an Urteilskraft sein.

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