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Verlage sollen für Inhalte, die auf Seiten wie Google News angezeigt werden Geld bekommen.

© Tsp

Leistungsschutzrecht: Bundesregierung erspart Verlegern Innovation

Um Probleme zu lösen, die sich Verlage selbst schufen, will die Koalition Informationsfreiheit beschränken. Kai Biermann kommentiert die Folgen des Leistungsschutzrechts.

Die Regierungskoalition hat sich am Sonntagabend darauf verständigt, Seiten wie Google News und Rivva abzuschaffen. Nicht wörtlich natürlich. Allerdings könnte dieser Effekt das eher ungewollte Ergebnis eines Beschlusses sein, den die Koalition getroffen hat. In dem heißt es:

"Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen. Damit werden die Presseverlage an den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste beteiligt, die diese – mit der bisher unentgeltlichen – Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen."

Was dort beschrieben ist, ist das sogenannte Leistungsschutzrecht. Über dieses wird seit mehr als drei Jahren diskutiert. Es sieht so aus, als sei es einigen großen Verlagen endlich gelungen, die Bundesregierung weichzuklopfen und sich von ihr ein solches Gesetz schreiben zu lassen.

Das ist übel. Aus verschiedenen Gründen.

Erstens: Es soll ein Problem beheben, das Verlage sich selbst geschaffen haben. Schließlich wollen sie nun nachträglich Geld für Inhalte eintreiben, die sie selbst kostenlos ins Internet stellen. Jahrelang glaubten Verleger, im Netz könne mit Journalismus nichts verdient werden. Statt Geschäftsmodelle zu entwickeln, überließen sie das anderen.

Nun haben Unternehmen wie Google bewiesen, dass sich mit guten Inhalten im Netz sehr viel Geld verdienen lässt. Statt wenigstens jetzt eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln, wollen die Verleger nun die erfolgreichen Konkurrenten zwingen, mit ihnen zu teilen. Das offenbart ein seltsames Kapitalismusverständnis.

Immerhin bekommen sie ja durch Aggregatoren wie Google mehr Leser auf ihre Seiten, also mehr Aufmerksamkeit. Und die lässt sich sehr wohl vermarkten. Das wissen auch die Verlage, deshalb optimieren sie ständig die Technik ihrer Onlineangebote, damit sie bei Google nur ja gut sichtbar platziert sind. Allerdings ist es logischerweise schwer, mit Inhalten Geld zu verdienen, die andere genau so auch anbieten. Das wissen die Verlage auch. Aber statt in Journalisten zu investieren und damit in eigene Geschichten, drängen sie lieber auf ein solches Gesetz – ist ja auch billiger.

Zweitens: Eine Scheindebatte

Zweitens: Hier wird eine Scheindebatte geführt. Man brauche dieses Recht, lautet die Argumentation, um dem illegalen Kopieren und dem kostenlosen Verbreiten Einhalt zu gebieten. Doch vom illegalen Kopieren sind Verlage im Gegensatz zu Filmfirmen kaum betroffen. Ihre Inhalte stehen ja schließlich kostenlos im Netz – siehe oben. Und sie werden von kaum jemandem komplett kopiert, denn das ist verboten und wird erfolgreich verfolgt und bestraft.

Außerdem werden Verlage längst für die Tatsache entschädigt, dass die Texte ihrer Zeitungen und Zeitschriften kopiert werden können. Genau wie Autoren. Geregelt wird es durch das Urheberrecht und dafür zuständig ist die Verwertungsgesellschaft Wort, kurz VG Wort. Sie erhält für jedes verkaufte Kopiergerät, jeden verkauften Computer und für jede verkaufte Druckerpatrone eine Gebühr, die sie einmal im Jahr an Verlage und Autoren verteilt.

Drittens: Es wird gelogen

Drittens: Es wird gelogen. Es geht bei der ganzen Debatte nicht um die Urheber und nicht darum, dass Texte und damit Medien besser werden würden. Auch wenn Vertreter von Verlagen das immer wieder behaupten. Denn die Autoren haben von einem solchen Recht nichts und sollen auch gar nichts davon haben. Wenn überhaupt, bekommen sie vom Erlös höchstens ein paar Krümel. Oder, wie es in der Koalitionsvereinbarung heißt: "Auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten."

Was aber ist angemessen? Schließlich argumentieren die Verlage, das Leistungsschutzrecht solle nicht die Inhalte selbst schützen, die ja längst geschützt sind. Stattdessen soll es die Mühe schützen, die die Verlage damit hatten, diese Inhalte zu einer Zeitung zusammenzubauen. Mit dem Layout aber haben die Autoren nichts zu tun, sie liefern nur den Text. Also werden sie wohl auch nichts bekommen. Wenn die Verlage also argumentieren, das Leistungsschutzrecht sei ein Weg, das Urheberrecht – also das der Autoren – zukunftsfähig zu machen, dann stimmt das schlicht nicht.

Viertens: Es ist gefährlich

Viertens: Es ist gefährlich. Die Verbreitung von Informationen und Nachrichten ist nicht ohne Grund kaum beschränkt. Jeder darf aus einem beliebigen Text zitieren und den Kerninhalt weitergeben, Zitatrecht genannt. Außerdem sind Nachrichten überhaupt nicht geschützt. Der Satz "Sack Reis in China umgefallen", darf von jedem verbreitet werden, auch wenn er zuvor Aufmacher einer Zeitung war. Denn das Recht auf umfassende Information wird als Grundrecht betrachtet. Das Leistungsschutzrecht schränkt jedoch genau diese Weitergabe ein. Schließlich soll es erreichen, dass Google News zahlen muss. Google News bildet aber nur die Überschrift einer Nachricht und den Vorspann oder einen Teil des Vorspanns ab. Das ist nach dem Zitatrecht völlig legal.

Das Leistungsschutzrecht würde diesen Umstand verändern. Wie genau, hängt davon ab, wie das Gesetz aussieht. Allerdings wäre das Ergebnis in jedem Fall Unsinn. Die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) schrieb dazu 2010 in einer Stellungnahme:

"... entweder würde ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger Handlungen erfassen, die schon bisher vom Urheberschutz erfasst sind. (...) In einem solchen Fall wäre ein neues Leistungsschutzrecht überflüssig; oder aber das Leistungsschutzrecht erweitert den ausschließlichen Rechtsschutz in Bezug auf redaktionelle Beiträge und Nachrichten. In diesem Fall würde die Grenze verschoben, die das Urheberrecht – in Übereinstimmung auch mit internationalem Konventionsrecht, demzufolge Nachrichten als solche grundsätzlich urheberrechtsfrei sind – bislang aus gutem Grund so gezogen hat, wie sie bislang gezogen ist."

Das bedeutet, ein Leistungsschutzrecht gefährdet die im Grundgesetz zugesicherte Informationsfreiheit. Diese Meinung teilen auch Juristen, beispielsweise der Justiziar des Bundesverbandes der Pressesprecher, Jan Mönikes, der in einem Interview sagte:

"Das heißt, ich erreiche das, was das Urheberrecht eigentlich nie erreichen wollte, nämlich dass die Nachricht selbst, also die pure Information, über den Umweg des Leistungsschutzrechtes faktisch zu einem rechtlich schützbaren und damit bepreisbaren Gut wird. Und das widerspricht im höchsten Maße der Idee von Informationsfreiheit."

Weil eine Branche unfähig ist, sich einer technischen Veränderung anzupassen, will sie mit sinnlosen Gesetzen Grundrechte einschränken? Und die Regierungskoalition macht das mit? Das nun offenbart ein bemerkenswertes Demokratieverständnis.

Zum Schluss eine Quizfrage: Was ist wahrscheinlicher? Dass Google jährlich Millionen Euro an deutsche Verlage ausschüttet, um in Deutschland Google News weiterbetreiben zu können? Oder dass Google sein nach eigenen Angaben defizitäres Produkt Google News in Deutschland abschaltet und sich damit die Millionen an die Verlage spart?

Der Text ist zuerst erschienen bei Zeit Online.

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