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Meinung: Brechen jetzt Kriege zwischen Arm und Reich um die Ölvorräte los?

Zu: „Politisches Öl“ vom 23. Mai 2004 Der Artikel erscheint wie ein Synonym für das Problem unserer Zeit, gleichwohl er eben dieses selbst beklagt, indem er darauf hinweist, dass ein Rückgriff auf die strategische Ölreserve der USA nur eine kurzfristige Maßnahme und keine Lösung des Problems wäre.

Zu: „Politisches Öl“ vom 23. Mai 2004

Der Artikel erscheint wie ein Synonym für das Problem unserer Zeit, gleichwohl er eben dieses selbst beklagt, indem er darauf hinweist, dass ein Rückgriff auf die strategische Ölreserve der USA nur eine kurzfristige Maßnahme und keine Lösung des Problems wäre. Trotz dieser eigentlich richtigen Erkenntnis wird auch wieder übersehen, dass das Grundproblem ein ganz anderes ist, stattdessen wird wieder mit den allgegenwärtigen Hinweisen auf ein mögliches verringertes Wachstum und Ähnlichem Polemik betrieben, der Ölpreis als ein Problem von Angebot, Nachfrage und Produktionsvolumen beschrieben, als wenn man Öl beliebig reproduzieren könnte, wenn man nur die „Produktion“ effektiv gestalten würde.

Darum sei es hier noch einmal deutlich gesagt: Die Ölreserven sind endlich. Und zwar auf absehbare Zeit, vermutlich wenige Jahrzehnte, nicht erst in 10 000 Jahren oder später. Hier ist also eine globale Lösung gefragt, jenseits jeder Polemik und ohne den ewigen Blick auf Wahlergebnisse. Natürlich werden wir auf diese globale Lösung wie immer vergeblich warten und können uns in Gedanken schon einmal auf weitere Kriege um die Rohstoffe dieser Welt vorbereiten.

Boris Plesnik, Berlin-Friedenau

Sehr geehrter Herr Plesnik,

mit Ihrem Leserbrief und mit Ihrer Analyse haben Sie mir in weiten Teilen aus dem Herzen gesprochen. Ja, das Beklagen des hohen Ölpreises greift zu kurz. Doch möchte ich Ihnen in Ihrer Behauptung widersprechen, es gebe keine Versuche, eine globale Lösung in der weltweiten Energieversorgung anzustreben.

Die Bundesregierung setzt in ihrer Energiepolitik auf die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien und auf die Verbesserung der Energieeffizienz. Das gilt sowohl für Maßnahmen in Deutschland selbst als auch für unsere Überzeugungsarbeit gegenüber anderen Nationen und multilateralen Institutionen als auch für die Entwicklungspolitik. Denn gerade in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern muss die Energiepolitik nachhaltig gestaltet werden.

Der Zugang zu und die Verfügbarkeit von Energie ist ein Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika, Lateinamerika und Asien. Auf diesen Kontinenten lebt der überwiegende Teil der zwei Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu moderner Energieversorgung haben. Wenn dort aber die wirtschaftliche Entwicklung voranschreitet bzw. voranschreiten soll – was wir alle aus Gründen der Armutsbekämpfung wünschen und fördern – wird gleichzeitig der Energieverbrauch enorm steigen. In einigen Ländern, wie beispielsweise in China und Indien, ist das schon längst geschehen, mit den entsprechenden Folgen für Umwelt und Preisentwicklung. Deshalb muss die weltweite Energieversorgung so gestaltet werden, dass die Entwicklungsländer sich entwickeln, ohne dass uns sprichwörtlich gesagt „die Luft ausgeht“.

Gleichzeitig wissen wir, dass wir globale Allianzen bilden müssen. Deshalb hat der Bundeskanzler auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Jahr 2002 zu einer internationalen Konferenz für Erneuerbare Energien nach Deutschland eingeladen. Und in zwei Tagen, am 1. Juni, werde ich diese Konferenz gemeinsam mit meinem Kollegen, Jürgen Trittin, eröffnen. Wir streben als ein Ergebnis der Konferenz an, dass sich alle Regierungsdelegationen – bisher haben sich ungefähr 120 angemeldet – dazu verpflichten, bis zum Jahr 2015 eine Milliarde Menschen mit Energie aus erneuerbaren Energieträgern zu versorgen. So glaube ich, sehr geehrter Herr Plesnik, dass damit ein weiterer Schritt zu einer globalen Partnerschaft für eine nachhaltige Energieversorgung getan ist. Dieses Umsteuern in der Energieversorgung wird sich gerade auch für die Entwicklungsländer auszahlen – denn erneuerbare Energien machen unabhängiger von Erdöl. Gerade für Entwicklungsländer und ihre Budgets ist die Situation besonders schwierig. Denn die hohen Ölrechnungen bedeuten für sie eine zusätzliche Belastung von 60 Milliarden US Dollar pro Jahr. Das ist fast so viel wie die gesamte internationale Gemeinschaft im Jahr an Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit bereitstellt. Höhere Unabhängigkeit von Erdöl heißt aber noch mehr. Die Zugangsmöglichkeiten zu Erdöl sind ungleich verteilt, 65 Prozent der Welterdölreserven werden im Mittleren Osten vermutet, also in der politisch instabilsten Region der Welt. Es wurden und werden Kriege um Öl geführt – mit katastrophalen Auswirkungen.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber: Erneuerbare Energien sind friedlicher, sie sind prinzipiell überall verfügbar und ihre Nutzung ist nicht durch solche „vermachteten“ Strukturen geschützt wie die Erdölförderung und -verbreitung. Lassen Sie uns dafür streiten, damit über ein Umsteuern der Energieversorgung auch dann geredet wird, wenn die Ölpreise wieder fallen.

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