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Meinung: Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft

Zu Thilo Sarrazins umstrittenen Äußerungen zu MigrantenEin zu hoher Anteil der türkischen und arabischen Bevölkerung mag den deutschen Staat ablehnen. Die Arbeitslosenschlangen und Gefängnisse sind voll von ihnen.

Zu Thilo Sarrazins umstrittenen Äußerungen zu Migranten

Ein zu hoher Anteil der türkischen und arabischen Bevölkerung mag den deutschen Staat ablehnen. Die Arbeitslosenschlangen und Gefängnisse sind voll von ihnen. Aber dass insbesondere die Türken unproduktiv also faul wären, stimmt einfach nicht! Ein Gemüsehändler verdient mehr meiner Anerkennung als Banker und Politiker!

Bei uns im Kiez (Wedding) gibt es türkische und arabische Imbisse, Kioske, Handwerksbetriebe, Internetcafes … Außerdem habe ich in vielen Betrieben gut mit türkischen Kollegen zusammengearbeitet. Berechtigte Kritik, Herr Sarrazin, gerne! Aber keine Volksverhetzung!

Martin Kobe, Berlin-Wedding

Gestern die Hartz-IV-Empfänger, heute die Türken und die Araber und morgen die ganzen Muslime oder doch ganz klassisch lieber die Juden, oder wie wär’s denn mit den faulen Langzeitstudenten?

Dass ein gebildeter Mensch solche Aussagen von sich geben kann ist unerklärlich. Warum regen wir Demokraten uns überhaupt so auf, wenn in unteren Gesellschaftsschichten Parolen dieser Art gebrüllt werden? Fängt der Fisch nicht auch vom Kopf her an zu stinken?

Cüneyt Ildeniz, Berlin-Wedding

Was für ein Aufstand wegen einiger Bemerkungen Sarrazins zur Lage in Berlin! Gibt es vielleicht gar keine überforderten 16-jährigen Mütter ohne Ausbildung oder arbeitslose Großfamilien, die mit Sozialhilfe gut leben ? Gibt es verwahrloste Kinder nur anderswo? Existieren Parallelgesellschaften nur in den wüsten Gedanken einer bestimmten Szene? Dann ließe sich das alles ganz schnell klarstellen, warten wir auf sachkundige Äußerungen unseres Senats, falls dieser nichts Wichtigeres zu tun hat.

Rainer Zibell, Berlin-Lichtenrade

Da hat Sarrazin wieder einmal schmerzhaft den Finger in die Berliner Verhältnisse gelegt. Jeder, der versucht, unvoreingenommen die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in dieser Stadt zu bewerten, wird zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Dass man sich damit in Berlin nicht beliebt macht, ist ebenso sicher. In dieser Stadt pflegt sich insbesondere die Politik allzu gern in ihren ideologischen Wärmestuben aufzuhalten, mit erhobenem Finger aufs politische Korrekte zu verweisen und der weiteren Verwahrlosung damit Vorschub zu leisten.

So richtig die Bewertungen von Herrrn Sarazin sind, als Vertreter der Bundesbank hätte er sich allerdings besser zurückhalten sollen.

Gerd Hauth , Berlin-Hansaviertel

Thilo Sarrazins Beschreibungen seiner Berliner Wirklichkeit bedürfen ebenso wenig einer vorurteilsfreien Überprüfung wie die Wahlplakate der NPD mit ihren offen ausländerfeindlichen Thesen. Und dabei geht’s im Sarrazin’schen Bestiarium so munter durcheinander wie in seinem Kopf: Ist’s der Berliner als solcher oder die ungehemmte Reproduktion von „Kopftuchmädchen“, die ihn stört? Oder sind es ernstgemeinte Sorgen um die Zukunftsfähigkeit vornehmlich männlicher Angehöriger der Unterschichten? Passt ihm die ganze Richtung der verschleppten Integration nicht, oder sind es nur Türken und Araber, die sein Auge stören? Denn, übrigens, mit der praktischen Integration eines Teils junger, männlicher Zuwanderer aus den GUS-Staaten sieht es auch nicht besser aus. Die kann Herr Sarrazin allerdings nicht auf den ersten Blick erkennen – und das will er wohl auch nicht.

Wo sollen denn die „gestaltenden Stadtbürger“ für Sarrazins biedermeierliches Wohlfühl-Berlin herkommen, wenn man einem Großteil der Menschen ausländischer Herkunft seit Jahrzehnten demokratische Mitwirkung verweigert? Und wie, glaubt er, lassen sich Bildungs- und Ausbildungsdefizite diverser Problemgruppen denn beheben – mit „Sparen bis es quietscht“ in Schule, Justiz und Sozialbehörden? Nein, Herr Sarrazin hat keine Nachsicht verdient, aber die Bewohner von Berlin und anderen weniger gut situierten Gegenden Deutschlands endlich mal eine Elite, die ihr Geschäft nicht vornehmlich als Publikumsbeschimpfung betreibt.

Jan Jurczyk, Schönefeld

Der Fall Sarrazin ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und bestens geeignet, die Verhältnisse abzubilden, in die sich unser Gemeinwesen in den letzten 30 Jahren begeben hat. Es geht hier weniger um die zum Teil ungewöhnlich überpointierte oder auch krasse Wortwahl, die von einem nicht geringen Teil unserer Mitbürger als herabwürdigend, verletzend empfunden wird, sondern um den Umstand, dass eine Person des öffentlichen Lebens in dieser Form sich zu den seit Jahrzehnten sattsam bekannten Problemen in Teilen von Ballungsräumen unserer Städte äußert. Wie aber reagiert die veröffentlichte Meinung? Es werden mit mehr oder weniger Häme Artikel verfasst, die erkennen lassen, dass diese Person doch nun überhaupt nicht lernfähig ist und mindestens aus dem Amt zu befördern ist. Gott sei Dank hat nun auch noch die Staatsanwaltschaft sich eingeschaltet, ob nicht eventuell strafrechtlich relevante Äußerungen abgesondert wurden. Wie wäre es denn mit der einfachen Erkenntnis, dass ein Blick in die Verfassung weiterhilft, wenn es um Begriffe wie Meinungsfreiheit oder Redefreiheit geht. Oder hört mittlerweile die Gedankenfreiheit dort auf, wo die Schere im Kopf beginnt? Sind die Tatsachen, die man im Wirtschaftsteil steril und in Zahlen und Grafiken verpackt nachlesen kann, dann falsch oder mindestens diskriminierend, wenn sie in zugegeben überspitzter Art formuliert werden? Alles was dort angesprochen wurde, sind doch keine neuen Erkenntnisse. Sie haben den Mangel, dass sie stören. Nur wie sollen die längst überfälligen Veränderungen bewirkt werden? Das Konsensgedudel hat uns genau dahin gebracht, wo wir leider stehen. Die Gefahr daran zu ersticken ist auf jeden Fall größer als die Gefahr, dass nun der Personenkreis, der hier zur Debatte steht, sich , wie schon befürchtet, deshalb die Integrationsbemühungen ganz einstellt – weil diskriminiert. Von der Politik darf man auch in Zukunft außer Sprüchen nichts erwarten.

Karsten Berger, Münster

Vielleicht war Herrn Sarrazins Darstellung der türkischen und arabischen Berliner Situation etwas übertrieben, aber ich sehe das als endlich fälligen Ausgleich dafür, dass gemeinhin und medieneinheitlich in der anderen Richtung übertrieben wird: nämlich dass es kein Ausländer-, kein Intensivtäter-, kein Machogehabe-, kein Sozialhilfe-kassieren-ohne-Gegenleistung-Problem gibt. Dank sei Herrn Sarrazin für die nun allerorten stattfindenden Diskussionen. Hoffentlich führen diese dazu, dass offen und realitätsnah Lösungen gesucht und gefunden werden.

Renate Bloch, Kleinmachnow

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