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Meinung: Hätte Deutschland im Gas-Streit klarer Position beziehen müssen?

„Putin dreht der Ukraine das Gas ab“ vom 2. Januar 2006 Es ist nicht mehr zu übersehen, wie skrupellos Putin sein Erdgas als Disziplinierungsmittel einsetzt, wie bedenkenlos er „mit Hilfe des Erdgases eine neoimperiale Machtpolitik gegenüber Osteuropa“ betreibt, wie Moritz Schuller zutreffend schreibt.

„Putin dreht der Ukraine das Gas ab“ vom 2. Januar 2006

Es ist nicht mehr zu übersehen, wie skrupellos Putin sein Erdgas als Disziplinierungsmittel einsetzt, wie bedenkenlos er „mit Hilfe des Erdgases eine neoimperiale Machtpolitik gegenüber Osteuropa“ betreibt, wie Moritz Schuller zutreffend schreibt. Jetzt sollte auch den letzten Gutgläubigen klar sein, dass mit Russlands neuem Zar nicht zu spaßen ist.

Wie aber reagiert die EU? Lediglich darauf bedacht, dass die eigene Energiezufuhr nicht leidet. Es ist beschämend, wie die EU und vor allem Schröder es an Solidarität mit der Ukraine fehlen lassen, dass sie nicht den geringsten Versuch unternehmen, sich vermittelnd einzumischen. Dass die Ukraine grundsätzlich die Preiserhöhung anerkennt, nur nicht in einem einzigen Schritt, zeigt doch, dass ein Bemühen der EU und Schröders um Vermittlung nicht ganz abwegig ist. Es ist zu hoffen, dass Angela Merkel und mit ihr die gesamte Koalition den verhängnisvollen Weg Schröders nicht weiter verfolgen. Die Entwicklung zeigt, wie berechtigt die Vorbehalte und die Furcht Polens und der baltischen Länder sind. Die EU, aber auch Deutschland sollten Putin gegenüber mehr Rückgrat zeigen.

Burkhard Koettlitz, Berlin-Wilmersdorf

Sonderpreise, die erheblich (um 75 Prozent) unter dem Weltmarktpreis liegen, werden in aller Regel mit politischen Zielstellungen gewährt. Sind diese hinfällig, so werden von heute auf morgen Weltmarktpreise fällig oder „nicht marktkonforme“ Lieferungen wie zwischen Deutschland als Nachfolger der DDR und Kuba 1990 eingestellt. Welche Sorgen und Nöte das der anderen Seite bereitet, hat nie eine Rolle gespielt. Es ist lächerlich, die Ukraine nun davon ausnehmen zu wollen, weil es politisch opportun scheint. Eins geht nicht: die Preise einseitig festlegen, also diktieren zu wollen, sich andernfalls an den Transitlieferungen nach Westeuropa zu bedienen. Das wäre modernes Wegelagerertum! Schon im Interesse unserer Gaspreise, die sonst bald „raketenartig hochgehen“ werden, ist das nicht hinnehmbar.

Dr. Volker Wirth, Berlin-Lichtenberg

Sehr geehrter Herr Koettlitz, sehr geehrter Herr Dr. Wirth,

im jüngsten „Gaskrieg“ Russlands gegen die Ukraine beschränkten sich Deutschland und die EU-Ratspräsidentschaft diplomatisch darauf, beide Länder aufzufordern, sich möglichst bald zu einigen. Jede öffentliche Parteinahme wurde vermieden, obwohl es Juschtschenko verdient hätte, mehr öffentliche Unterstützung vom Westen zu bekommen. Mehr wäre aber ohnehin nicht möglich gewesen, denn nur von Gerhard Schröder ist Putin bereit, deutliche nichtöffentliche Kritik anzuhören, was er – nach seinen eigenen Worten – sonst keinem anderen Politiker erlaubt. Aber so entstand in der Ukraine der Eindruck, dass Europa, zu dem die Ukraine gehören möchte und weswegen es mit Russland politische Schwierigkeiten hat, nicht bereit ist, dies wenigstens politisch anzuerkennen.

Der von Gasprom geforderte Preis von 230 Dollar pro 1000 Kubikmeter ist ein Preis, den nur die westeuropäischen EU-Länder zahlen, aber nicht die baltischen Staaten (110 Dollar) und die Türkei (100 Dollar). Daraus wird ersichtlich, dass es sich um einen politischen Preis handelte, der ein wirtschaftliches und ein politisches Ziel hatte: den Besitz des 37 000 Kilometer langen ukrainischen Pipelinenetzes. Und Juschtschenko sollte als unfähig hingestellt werden: nicht in der Lage, sein Land vernünftig zu führen. Zugleich sollte den anderen GUS-Staaten vorgeführt werden, dass es besser ist, sich nach Moskau zu orientieren statt auf eine Mitgliedschaft in Nato und EU zu hoffen. Die Ukraine zapfte nicht illegal russisches Gas aus ihren Pipelines nach Westeuropa. Sie möchte ihren Ruf nicht verlieren, zuverlässiges Transitland zu sein. Sie hat das „technische Gas“ abgezwackt, das nötig ist, um die Pipelines betreiben zu können. Außerdem stand der Ukraine nach dem ukrainisch- russischen Gastransitvertrag und dessen Ergänzung Nr. 4 vom 9. August 2004, die bis 2009 gilt, als Bezahlung für den Transit russischen Gases die Entnahme von Gas zum Preis von 50 Dollar pro 1000 Kubikmeter und einem Durchleitungspreis von 1,09375 Dollar pro 1000 Kubikmeter auf 100 km zu.

Putin erreichte das Gegenteil von dem, was er erstrebte: Er verspielte Sympathien bei Ukrainern, die noch welche hatten, vor allem im Ostteil des Landes und auf der Krim. Er stärkte das Elektorat der Partei „Unsere Ukraine“ von Juschtschen- ko, die nun bei der Parlamentswahl wesentlich besser abschneiden dürfte als bisher erwartet. Die Ukraine wird noch stärker in die Nato und in die EU drängen, und Brüssel wird sich dem gegenüber aufgeschlossener zeigen.

Schließlich werden es sich ausländische Gasfirmen in Zukunft mehrmals überlegen, ob sie von Russland Gas kaufen.

Mit freundlichen Grüßen

— Prof. Dr. Eberhard Schneider, Deutsches Institut für internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin

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