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Meinung: Hartz IV lähmt sogar die deutschen Olympioniken in Athen

„Lafontaine redet in Leipzig auf Montagsdemo“ vom 18. August 2004 Seit Jahrzehnten sind mir Herr Lafontaine und seine Politik gut bekannt.

„Lafontaine redet in Leipzig auf Montagsdemo“ vom 18. August 2004

Seit Jahrzehnten sind mir Herr Lafontaine und seine Politik gut bekannt. Trotzdem gab ich mich der Hoffnung hin, er wäre nach seinem Rücktritt endgültig von der politischen Bildfläche verschwunden. Weit gefehlt – er fühlt sich immer noch dazu berufen, einen konstruktiven Beitrag zum endgültigen Ruin Deutschlands zu leisten, und findet auch immer wieder Anhänger, die seine Fantasien für bare Münze nehmen.

Herr Lafontaine hat mit beispiellosen Aktionen versucht, die Wiedervereinigung zu hintertreiben oder unmöglich zu machen. Als ihm das nicht gelang, hat er in einer groß angelegten Kampagne den ursprünglich beschlossenen, angemessenen und allgemein akzeptierten Umtauschkurs OstMark zu West-Mark, der sich je nach Höhe des Betrages und der Saldoart – Guthaben oder Schuld, Bankkonto oder Bargeld – von 1:7,5 bis 1:15 bewegen sollte, so lange bekämpft, bis dieser politisch nicht mehr zu halten war und wider alle Vernunft auf 1:1 festgelegt wurde.

Dieser unsinnige Umtauschkurs hat auf einen Schlag die gesamte Wirtschaft der ehemaligen DDR und ihre Märkte zerstört.

Es klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte: Ausgerechnet der Politiker, der mit seiner verfehlten Politik die Probleme entscheidend mitverursacht hat, die letztendlich dazu geführt haben, dass Einschnitte wie Hartz IV unumgänglich wurden, schwingt sich jetzt zum Retter der sozialen Gerechtigkeit und der Benachteiligten der „neuen Bundesländer“ auf. Dieser Herr gehört nicht auf die Rednertribüne.

Helmut Stadler, Passau

„Hartz IV im Kindergarten“ vom 20. August 2004

Wer, wie unsere Politiker, insbesondere die aktuelle Bundesregierung, die DDRisierung Deutschlands betreibt – bewusst oder unbewusst –, der muss sich nicht wundern, wenn die Menschen, die schon 1989 das nicht mehr wollten, auch heute wieder auf die Straße gehen.

Zerfallende Infrastrukturen, untergehende Unternehmen, Millionen Arbeitsloser, Abstrafung von Akademikern im öffentlichen Dienst z. B. durch angeblich fairere, aber unterm Strich nur niedrigere Besoldungen („W-Besoldung“), missglückte Hochschulreform (Stichwort „Juniorprofessor“), Abwanderung der Elite, Perspektivlosigkeit bei den Renten für die heutigen Arbeitnehmer, usw., usw., usw.

Und dann passt es auch ins Bild, dass die Herren Clement, Bütikofer und Co. sich bitter über solche Demos beschweren – Erich Honecker war seinerseits sicher auch nicht entzückt.

Dr. Oliver Brüggemann, Berlin-Mitte

Wer die Demonstrationen in Ost-Deutschland gegen Hartz IV mit den früheren Montagsdemonstrationen aus der Endzeit der pseudo-sozialistischen Honecker-Regierung vergleicht, muss sich Geschichtsfälschung vorwerfen lassen.

Damals ging es immerhin um den Protest gegen einen Polizeistaat, der an seiner organisierten Heuchelei scheitern musste. Heute geht es darum, dass Schröder, Eichel & Co. Probleme haben, die Reformen zu realisieren, die Kohl, Waigel & Co. zu feige waren, überhaupt erst in Angriff zu nehmen. Horst Grzywaczewski, Iserlohn

„Hier gibt es Beratung“ vom 16. August 2004

Die halbherzige Aufklärung im Internet durch die Bundesregierung zum Thema Hartz IV ist wenig konkret und liefert keine wirklichen Antworten. Die dort zu findenden Stellungnahmen vom Kanzler zum Thema interessieren den Betroffenen auf der Suche nach Informationen sicherlich nur am Rande. Es wirkt irritierend, dass die Internetseiten der Bundesregierung mehr nach einem parteipolitischen Auftritt aussehen. So ist es kein Wunder, dass die häppchenweise bekannt werdenden Informationen stets wie ein Bombe einschlagen.

Ingmar Slopianka, Berlin-Friedrichshain

„Total unlocker“ vom 20. August 2004

Was sich in Athen abspielt, ist ein kollektiver Leistungseinbruch vor dem Hintergrund einer miesen Stimmung im Lande. Da wird der Widerstand gegen Hartz IV unter dem Etikett „Montagsdemo“ zu einer sich anbahnenden Revolution hochstilisiert, da wird die Rechtschreibreform, die die Orthografie vielen leichter gemacht hat, zur kulturellen Titanic hochgekocht und Sachen wie die Mautpleite zu einem Problem am Rande kleingeredet. Dass in solcher Stimmung unsere Sportler in diesen Abwärtssog geraten können, ist nicht verwunderlich, denn der Umkippschalter im Gehirn, der die Motivation eines Leistungssportlers von „Hoffnung auf Erfolg“ auf „Furcht vor Misserfolg“ umkippen lässt, kann schon mal Zehntelsekunden kosten.

Manfred Neumann, Psychotherapeut, Berlin-Lichterfelde

„Leipziger Montagsdemontage“ vom 19. August 2004

Die Parole „Wir sind das Volk!“ stammt von dem deutschen Großdichter Georg Büchner („Dantons Tod“, 1. Akt, 2. Szene). Mag man sie trotz der (gelungenen?) Revolution von 1989 für eine schamhafte Antwort auf eine ungestellte Frage halten. Ab Januar 2005 soll, wie es scheint, eine andere Parole von Georg Büchner gelten: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Hört man nicht an manchen Ecken bereits den alten Sponti-Spruch „Bildet Banden, sammelt Waffen!“?

Denn der Spreebogen-Feudalismus ächzt unter den vielen Menschen, die es in Deutschland gibt. Alle sollen arbeiten für Gotteslohn. Ein Arbeitsloser muss für einen zweistündigen „Mini-Job“ 80 Cent draufzahlen, sofern er in Berlin dazu ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen muss.

Ein Arbeitsplatzinhaber soll arbeiten für den Lohn eines Arbeitslosen, sonst wird er „freigesetzt“. Viel zu sehr wird übersehen, welche Unsicherheiten Hartz IV auch den Arbeitenden, Studierenden und Auszubildenden bringt. Hartz IV besiegelt, dass es in Deutschland kein Humankapital mehr gibt, sondern nur noch inhumanes Kapital. War Kapital in Deutschland aber je human? Es (das Kapital) und die Justiz seien seit Jahrhunderten Huren der deutschen Fürsten gewesen, schreibt Georg Büchner in seinem „Hessischen Landboten“. Dafür musste er auf die Straße und ins Exil nach Straßburg wandern.

Irgendwann kommen auch die Feudalisten von den Spreebögen wieder auf die Straße. Und sei es nur, um ihre Volksfront zu begrüßen.

Otto Bloch, Berlin-Charlottenburg

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