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Meinung: Ist der Klimawandel eine Mär?

Kyoto ist nicht genug vom 29.10.

Kyoto ist nicht genug vom 29.10.

Die Autoren des rubr. Artikels üben sich in Alarmismus und scheuen sich nicht, „Zigtausende Menschen“, die durch Naturkatastrophen ihr Leben verloren haben, als Zeugen heranzuziehen. Das macht sich gut, das schürt schlechtes Gewissen – den Beleg, dass von diesen Menschen auch nur einer noch lebte, wenn das Weltklima sich nicht veränderte, bleiben sie indessen ebenso schuldig wie schlüssige Lösungsmöglichkeiten.

Da wird der „schnelle Ausbau erneuerbarer Energien“ gefordert, ohne darzulegen, welche Kosten für die Umstellung der deutschen Energieversorgung aufzuwenden wären. Nicht einmal die Frage, ob Deutschland angesichts seiner geografischen und meteorologischen Gegebenheiten überhaupt vollständig mit erneuerbaren Energien versorgt werden könnte und was, falls nicht, die Alternative wäre, wird beantwortet. Stattdessen Angstmacherei (nicht ohne Verweis auf den 11. September 2001), platte Kampfbegriffe („Klimakiller Flugverkehr“) und Wortblasen („aufbegehrende Zivilgesellschaft“, „gesellschaftliche Allianzen“).

Dafür stellt der Tagesspiegel fast eine ganze Seite zur Verfügung, nachdem im Blatt schon am 20. September („Zuerst sterben die Palmen“) ausgiebig dem Alarmismus gefrönt und die schon seit Jahren als Falschmeldung entlarvte Schauermär von den angeblich um Öko-Asyl ersuchenden Bewohnern des angeblich in 50 Jahren überfluteten Eilands Tuvalu (dortiger Anstieg des Meeresspiegels in den letzten 30 Jahren: null) wiederholt werden durfte.

Man spürt die Absicht und ist verstimmt …

Andreas Heinzgen, Berlin-Charlottenburg

Sehr geehrter Herr Heinzgen,

in Ihrem Leserbrief werfen Sie den Verfassern des Beitrags „Kyoto ist nicht genug“ vor, Sie würden im Hinblick auf den Klimawandel unnötig dramatisieren. Es wäre schön, wenn Sie recht hätten. Dann könnten wir uns alle zurücklehnen. Leider ist es aber nicht so. Der menschgemachte Teibhauseffekt ist nicht halb so schlimm wie bisher angenommen, sondern aller Voraussicht nach doppelt so schlimm.

Anfang nächsten Jahres wird der neue Bericht des Klimawissenschaftlergremiums der Vereinten Nationen erscheinen. Seine Prognosen über den Temperaturanstieg und dessen Folgen für Gletscher, Polareis, Meere, biologische Vielfalt, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, küstennahe Städte und die Ausbreitung von krankheitsübertragenden Insekten werden nur noch ganz kühne Ignoranten kaltlassen. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass es auch zu diskontinuierlichen Extremereignissen kommen kann, etwa dem Abrutschen von Teilen des Eises in Grönland oder der Antarktis. Klar ist jedenfalls: Besonders betroffen vom Klimawandel sind arme Länder und arme Menschen, die den Folgen unmittelbar ausgesetzt sind und sich nicht wirksam schützen können.

Mittlerweile nimmt sogar die Wirtschaftswissenschaft, nicht gerade bekannt für eine hohe Umweltsensibilität, den Klimawandel ernst. Der Bericht von Nicholas Stern, dem ehemaligen Chefökonom der Weltbank, markiert eine Wegscheide. Erstmals wird dort akribisch nachgewiesen, dass unterlassener Klimaschutz zu einer schweren Erschütterung der Weltwirtschaft führen und bis zu 20 Prozent des Weltsozialprodukts kosten würde. Demgegenüber, das ist die gute Botschaft, ist konsequenter und jetzt begonnener Klimaschutz sehr kostengünstig.

Er passiert aber nicht von selbst, sondern muss politisch gewollt und durchgesetzt werden, auch gegen starke Widerstände, etwa der Energiewirtschaft, der Automobilindustrie oder der Luftverkehrsbranche. Wer dem Klimaschutz einen Weg bahnen will, der muss neuen Technologien gegen alte Strukturen zum Durchbruch verhelfen. Da spielen die erneuerbaren Energien natürlich eine wichtige Rolle: Sonne, Wind, Wasser, Bioenergie und Erdwärme. Aber noch wichtiger sind Energieeinsparung und Energieeffizienz, also verbrauchsarme Autos, Niedrigenergiehäuser, supereffiziente Elektrogeräte, Blockheizkraftwerke und demnächst Brennstoffzellen.

Unsere Ingenieure können mehr, als heute von ihnen verlangt wird. Wir sollten die Rahmenbedingungen so setzen, dass sie in Zukunft nicht mehr Menschen wegrationalisieren, sondern Fässer Öl, Kubikmeter Erdgas, Tonnen Kohle und Kilowattstunden Strom. Das senkt auch unsere allzu hohe Abhängigkeit von Energieimporten, ein willkommener Nebeneffekt.

Wenn wir es intelligent anstellen, kann der Klimaschutz sogar zu einem Modernisierungsprogramm für unsere Volkswirtschaft werden. In diese Richtung sollten wir arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Reinhard Loske ist Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages. Zuvor war er am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie als Wissenschaftler tätig.

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