zum Hauptinhalt

Meinung: Ist die EU schuld an steigenden Lebensmittelpreisen in Deutschland?

Zur Berichterstattung über steigende Preise für Milchprodukte Die derzeitigen Preissteigerungen bei den Milchprodukten sind ganz offensichtlich vor allem Auswirkung einer jahrzehntelangen falschen EU-Agrarpolitik. Hatte sie einst Butterberge und Milchseen zur Folge, so bewirkt heute ein Quotensystem eine nachfragefeindliche Einschränkung der Produktion.

Zur Berichterstattung über steigende Preise

für Milchprodukte

Die derzeitigen Preissteigerungen bei den Milchprodukten sind ganz offensichtlich vor allem Auswirkung einer jahrzehntelangen falschen EU-Agrarpolitik. Hatte sie einst Butterberge und Milchseen zur Folge, so bewirkt heute ein Quotensystem eine nachfragefeindliche Einschränkung der Produktion. Heute ist es so: Wer mehr Milch abliefert, als sein Kontingent erlaubt, muss hohe Strafen zahlen. Die Folgen sehen wir Verbraucher nun in den Supermärkten.

Interessant ist das oft genannte Argument, die weltweit erhöhte Nachfrage nach Biotreibstoffen und die seit Anfang 2007 in Deutschland vorgeschriebene Beimischung von Bioethanol bei Benzin treibe den Preis in die Höhe, weil trotz einer weltweiten Rekordernte von 610 Millionen Tonnen Getreide eine ungebrochene Nachfrage bestehe und viele Bauern ihr Getreide lieber an Biotreibstofferzeuger verkauften. Weil Milchbauern deshalb ihren Kühen weniger Getreide verfütterten, gäben diese weniger Milch und es komme zu einer Knappheit. Schön.

In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass durch die EU seit 1992 die Stilllegung von Nutzflächen zur Entlastung der Märkte besonders gefördert wird. Das heißt, Flächenstilllegung und die extensive, diversifizierte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen werden durch ein Prämiensystem belohnt. Auch sehr schön.

Im Klartext: Wir fördern mit unseren Steuergeldern – denn das sind auch EU-Mittel, und Deutschland ist noch dazu Nettozahler in der Europäischen Union – die derzeitigen Preissteigerungen bei Milch und Milchprodukten. Das ist aberwitzig.

Da liegt ganz offensichtlich ein Fehler im System. Die Agrarsubventionen, die ohnehin den größten Posten im EU-Haushalt ausmachen, gehören endlich abgeschafft.

Christian John, Berlin-Buckow

Sehr geehrter Herr John,

die 1984 EU-weit eingeführte Milchquotenregelung hat ein wichtiges Ziel erreicht: Butterberge, Milchseen und die hohen, steuerfinanzierten Lagerkosten für diese Überschussprodukte wurden abgebaut. Weniger Erfolg hatte die Quote bei ihrer Aufgabe, den bäuerlichen Milchviehbetrieben ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Seit Jahren wirtschaften Milchbauern in Deutschland nicht mehr kostendeckend, weil der ausgezahlte Milchpreis zu niedrig ist. Steigende Preise für Milchprodukte sind also gerechtfertigt, wenn sie den Landwirten zugute kommen, denn Landwirte müssen für die Lebensmittel, die sie uns liefern, fair entlohnt werden.

Wer heute aufgrund des Anstiegs der Milchpreise einen möglichst schnellen Ausstieg aus dem Quotensystem verlangt, darf nicht vergessen, dass sich damit der Milchauszahlungspreis für die Landwirte deutlich verschlechtern würde. Als Folge würde die bäuerliche Milchviehwirtschaft aus den Mittelgebirgsregionen abwandern, wo sie aber auch für andere Wirtschaftszweige wie den Tourismus eine große Bedeutung hat. Eine europäische Milchpolitik muss sicherstellen, dass Bauernhöfe mit Milchkühen auch dort eine Zukunft haben.

Nicht nur die Diskussion um steigende Lebensmittelpreise bei gleichzeitig hohen Agrarsubventionen macht deutlich, dass die heutige Landwirtschaftspolitik nicht geeignet ist, um die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen zu können. Der Klimaschutz findet bislang keinerlei Berücksichtigung in der Agrarförderung. Trotz boomender Nachfrage nach Bioprodukten stellen wenige Landwirte auf ökologische Erzeugung um. Es ist absurd, wenn wir ausgerechnet die Lebensmittelerzeugung subventionieren, die zwar fit für den Exportmarkt ist, uns aber hier die von ihr verursachten Umweltprobleme hinterlässt. Darum muss der Umbau der Agrarförderung, wie er 2003 in meiner Amtszeit als Bundesverbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin begonnen wurde, schon in der für 2009 anstehenden Überprüfung, dem sogenannten Gesundheits-Check der gemeinsamen Agrarpolitik, fortgesetzt werden.

Die Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe müssen an ökologische und soziale Kriterien gebunden werden. Erbringen Landwirte gesellschaftliche Leistungen, zum Beispiel beim Erhalt der Kulturlandschaft oder für das Klima, ist es gerechtfertigt und richtig, wenn sie dafür durch den Staat belohnt werden. Ländliche Regionen haben eine hohe gesellschaftliche Bedeutung, deshalb müssen wir die Förderung für diese Regionen ausbauen. Dabei ist die diversifizierte Landwirtschaft ein wichtiger Ausgangspunkt für die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum. So fördern wir mit unseren Steuergeldern eine umwelt-, natur- und tiergerechte Produktion von Qualitäts-Lebensmitteln, die ihren Preis wert sind.

Mit freundlichen Grüßen

— Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der

Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false