zum Hauptinhalt

Meinung: Mehr Überwachungskameras – machen sie das Land sicherer?

„Sicherheits-Checks wie auf Flughäfen?“ vom 4.

„Sicherheits-Checks wie auf Flughäfen?“

vom 4. August 2006

Die Forderung zumeist konservativer Politiker nach mehr Sicherheit und Überwachung in unserem Lande ist bald nicht mehr zu ertragen. Wollen wir etwa auch hier der Hysterie der Vereinigten Staaten nacheifern? Es macht beispielsweise für mich - als oft Reisender - keinen Spaß mehr, die Einreiseformalitäten und scharfen Kontrollen, die mich eher an eine Diktatur erinnern, bei einem demokratischen Staat wie den USA zu ertragen!

Wer meint, dass man mit mehr Überwachung durch Videokameras auf Flughäfen, Bahnhöfen und markanten Plätzen das Problem von Terroranschlägen und Diebstählen löst, der irrt sich gewaltig. Im Gegenteil: Durch die Verbindung von Kameras im öffentlichen Raum mit der geplanten Speicherung biometrischer Daten in Personaldokumenten entsteht ein großes Missbrauchspotenzial, dessen Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen ist. George Orwell lässt grüßen!

Sollte unsere Regierung sich nicht vielmehr im eigenen Land mehr um gerechtere Verhältnisse kümmern, als immer nur Arbeitgebern und Kapitalisten zu Munde zu reden und sie im gesellschaftlichen Miteinander stets zu bevorteilen? Auch Hartz IV und damit ein stetiges Ansteigen der Armut tragen mehr zur Kriminalität bei, und ich kann’s den Leuten noch nicht mal verdenken. Was soll also der Unsinn mit den Überwachungskameras? Haben wir uns nicht erst noch vor kurzer Zeit über die Machenschaften der Stasi und des DDR-Überwachungsstaates mokiert? Nun streben wir denselben Überwachungsstaat an!? Das kann doch wohl eigentlich nicht wahr sein! Wir sollten an einer solchen Entwicklung alle kein Interesse haben!

Thomas Henschke,

Berlin-Waidmannslust

Sehr geehrter Herr Henschke,

natürlich ist – und bleibt – es Aufgabe der Politik, für ein möglichst hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit zu sorgen. Aber eben auch und nicht zuletzt dafür, dass wir alle in Freiheit und Sicherheit leben können. Wir sollten das eine politische Ziel nicht gegen das andere ausspielen!

Nicht erst die jüngsten Ereignisse in London zeigen: Wir haben heute zwar eine ganz andere Sicherheitslage als zu Zeiten des Kalten Krieges, aber angesichts der Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus keine minder gefährliche. Bitte bedenken Sie: Von fast allen Anschlägen der letzten Jahre führten Spuren auch nach Deutschland! Durch diese Anschläge starben mehr Deutsche als durch den RAF-Terror der 70er Jahre und die Täter nehmen heute ganz bewusst sogenannte „weiche Ziele“ ins Visier. Flugzeuge, Hochhäuser, Ferienanlagen, U-Bahn-Stationen und auch Bahnen oder Bahnhöfe. Für die Terroristen hat das Strafrecht keine abschreckende Wirkung.

Wer bereit ist, sich selbst zu töten, um andere zu ermorden, fürchtet selbst die Höchststrafe nicht. Deshalb ist Prävention von überragender Bedeutung, deshalb müssen wir Sicherheitslücken schließen – auch in Ihrem Interesse. Dass alle Maßnahmen notwendig, geeignet und verhältnismäßig sein müssen, ist dabei ganz selbstverständlich. Wohlgemerkt: Hundertprozentige Sicherheit garantieren kann auch der Einsatz modernster Technik nicht. Aber das kann ja nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass wir deshalb auf sinnvolle und notwendige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verzichten. Und verwechseln Sie bitte Videoüberwachung (die es schon heute auf manchen Bahnhöfen und Flughäfen gibt) nicht mit Videoaufzeichnungen. Das ist etwas ganz anderes. Moderne Technik soll den Sicherheitskräften helfen, Gefahren abzuwehren – nicht die Bevölkerung zu überwachen. Wir haben schon heute im privaten Bereich (Banken, Warenhäuser, Tankstellen etc.) circa 300 000 Überwachungsanlagen. Im öffentlichen Raum dagegen nur knapp 100. Die Erfolge der Technik sind nachweisbar: An vielen Orten ist die Zahl der Straftaten deutlich gesunken, rechtsfreie Räume konnten für die rechtstreue Bevölkerung zurückerobert werden. Technik soll ein Hilfsmittel sein, die notwendige Präsenz von Sicherheitskräften kann sie nicht ersetzen. Eine lückenlose Personen- und Gepäckkontrolle des Bahnverkehrs wie auf Flughäfen dürfte dagegen bei 30 000 Zügen der DB und circa 4,3 Millionen Reisenden pro Tag (!) schon aus praktischen Gründen gar nicht möglich sein.

Sie wollen keinen Überwachungsstaat? Ich auch nicht, zumal wir vor 16 Jahren gerade einen abgeschafft haben!

Mit freundlichen Grüßen

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false