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Meinung: Plakate gegen die Flick Collection verstören

„Eintritt frei für Zwangsarbeiter“ vom 14. September 2004 Zwei Plakate am Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart stören das Großereignis des Berliner Kunstherbstes – den Einzug der Flick Collection.

„Eintritt frei für Zwangsarbeiter“ vom 14. September 2004

Zwei Plakate am Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart stören das

Großereignis des Berliner Kunstherbstes – den Einzug der Flick Collection.

Und was macht der Kritiker Ulrich Clewing? Ihn (ver)stören die Künstler Renata Stih und Frieder Schnock. Statt ihre künstlerische Strategie einer Intervention in den politischen Diskurs zu erläutern, die mit den Mitteln der BildText-Montage einen Denkanstoß geben will und sie etwa aus der Tradition des Realismus, Dada und der engagierten Kunst heraus zu erklären, gibt Clewing seine Eindrücke vom Small Talk mit den Künstlern zum Besten.

Die Plakate scheinen ihn gar nicht zu interessieren. Warum aber Künstlerkritik statt Kunstkritik? Er hält Stih und Schnock „Ungenauigkeiten“ in der Argumentation vor, obwohl er selbst Genauigkeit vermissen lässt. Das viel diskutierte Projekt eines alternativen „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ – statt eines repräsentativen Monumentes am Brandenburger Tor – sah nicht etwa einen „Shuttleservice ins Berliner Umland“ vor, sondern Busverbindungen zu den ehemaligen Konzentrationslagern in Europa. Ebenso ungenau und polemisch argumentiert Clewing, wenn er die „Orte des Erinnerns“ im Bayerischen Viertel, an denen Stih und Schnock die Gesetze zur Ausgrenzung jüdischer MitbürgerInnen (seit 1933) auf Schildern und damit auch deren alltägliche Umsetzung durch die MitläuferInnen des deutschen Obrigkeitsstaates dokumentierten, diffamiert, mit dem Hinweis auf kritische Stimmen von „Überlebenden des Nazi-Regimes“ (Wer ist damit gemeint?), ohne diese und ihre Argumente jedoch zu nennen.

Zum zweiten Plakat: „Steuerflüchtlinge. Zeigt eure Schätze“ mit dem Motiv eines Zeppelins mit der Aufschrift „F. C. Flick Collection“ heißt es wiederum nur suggestiv, die Argumentation sei „ungenau“. Dass es hier nicht um juristisch zu belangende Steuerflüchtlinge gehen kann, dürfte jedem klar sein, denn dafür sind die Finanzämter zuständig (noch?). nicht die kritischen Bürger oder gar Künstler.

Stih/Schnock appellieren schlicht an die Zahlungsmoral – moderater als es Kanzler Schröder in der Bild-Zeitung getan hat.

Prof. Dr. Hans Dickel, Institut für Kunstgeschichte, Universität Erlangen-Nürnberg

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