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Meinung: Rechtschreibung im Retro-Look ist nicht hip

„Kinder, Schokolarde!“ vom 18.

„Kinder, Schokolarde!“ vom 18. August 2004

Als vom angekündigten „RetroLook“ des „Spiegel“ und der „Welt“ betroffene Abonnentin möchte ich nicht versäumen, meine Freude über die Verweigerungshaltung des Tagesspiegels zum Ausdruck zu bringen. Ich frage mich wirklich, was die Herren Aust und Döpfner wohl bewogen hat, vorwärts in die Vergangenheit zu marschieren. Ihre Ausführungen lassen auf eine Trotzreaktion schließen, vergleichbar mit der eines Schulkindes, das sich weigert, seine Hausaufgaben zu machen, weil es als Nachtisch Vanillepudding mit Himbeersoße statt mit Schokoladensoße gibt.

Ich frage mich zudem, warum die „Spiegel“- und „Welt“-Redaktionen eigentlich nur bis ans Ende des 20. Jahrhundert zurückkehren wollen und nicht gleich bis zum Anfang. Auf das Thor und die Thüren für die Rechtschreibung unserer (Ur-)Großeltern.

Ich bin wirklich keine Anhängerin so merkwürdiger Worte wie Tipp und Stopp, wenn auf dem Verkehrszeichen natürlich „Stop“ steht und junge Mädchen mit Flip-Flops hip aussehen. Aber warum wir nun wieder zu der ebenso merkwürdigen Schreibweise von der Schiffahrt zurückkehren sollen, leuchtet mir auch nicht ein. Und mit der optisch unattraktiven Justiziarin bin ich bereits in der guten (?) alten Zeit konfrontiert worden. Genug. Ich werde mich künftig umso mehr an der Lektüre des Tagesspiegels erfreuen, wobei entscheidend letztendlich die Inhalte sind.

Juliane Freifrau von Friesen, Senatorin a.D., Berlin-Steglitz

„Kinder, Schokolarde“ vom 18. August 2004

Das Anliegen von Herrn Gauger, die Debatte um die Rechtschreibung zu entbiestern, ist ehrenwert und er hat auch sicher damit Recht, dass die Leidenschaftlichkeit dieser Diskussion wohl nur noch psychologisch zu erklären ist. Wir haben ja in der Tat in Deutschland weit existenziellere Probleme als dieses.

Was mich an diesem Beitrag und an dem großen Teil der sonstigen Argumentationen der Reformgegner (auch gerade von Seiten unserer Intellektuellen) aber stört, ist ihre Borniertheit und Abgehobenheit.

Die alte Rechtschreibung nun auch noch „klassische“ zu nennen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Dann lasst uns doch gleich wieder schreiben, wie zu Zeiten unserer Klassiker (Goethe, Schiller ...), da schrieb jeder, wie es ihm gerade gefiel (Goethe hat seinen eigenen Namen zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich geschrieben).

Es kann sein, dass wir uns die

Reform hätten sparen können (ich persönlich hätte mir ohnehin, wenn schon, dann eine weiter gehende mit der in allen anderen europäischen Ländern schon seit längerem üblichen gemäßigten Kleinschreibung gewünscht, wie es von der Schweiz und Österreich auch vorgeschlagen wurde), aber jetzt ist sie nun einmal da und hat dazu geführt, dass unsere Schüler seit sechs Jahren nach den neuen Regeln lernen. Und nach allem, was man hört und liest, ist sie bei Lehrern und Schülern gut angekommen.

Rüdiger Hinsch, Berlin-Nikolassee

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