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Meinung: TELEFONIEREN AM STEUER Wer hält Polizisten mit Handys an?

Unser Leser Stefan Sykora fragt sich, warum Verbote nicht für alle gelten. Gerd Neubeck, der Polizei-Vizepräsident in Berlin, erklärt die Sonderrechte

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Zu: „HandySünder: Gesehen werden reicht“ vom 16. August und „Handy am Steuer: Reicht ein Zeuge für eine Anzeige?“ vom 17. August 2003

Die oben beschriebenen Artikel waren Gesprächsthema in meiner Familie, und wir überlegten gemeinsam, warum Menschen immer wieder Dinge tun, die nicht erlaubt sind. Kurze Zeit später, wir waren mit dem Auto unterwegs, entdeckte dann schließlich meine Tochter wieder einen solchen Verkehrsteilnehmer, der auf der linken Spur vier bis fünf Kilometer zügig und unaufhörlich mit dem Handy am Ohr telefonierend hinter uns her fuhr. Kleiner Schönheitsfehler, es war ein Polizist in einem Streifenwagen. Meine Kinder bestanden auf Antworten. Warum dürfen Polizisten telefonieren? Ich entschloss mich, mit zweien meiner Kinder Anzeige zu erstatten.

Wir wurden von der aufnehmenden Beamtin informiert, dass Beamte im Dienst natürlich dienstlich telefonieren dürften, es gäbe entsprechende Dienstanweisungen. Am liebsten wäre mir, wenn diese Dienstanweisung überarbeitet wird, denn ich bin überzeugt, dass auch Beamte in ihrer Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt sind, wenn sie am Steuer telefonieren. Im Zweifelsfall hilft ja auch anhalten, es muss nicht gleich im absoluten Halteverbot sein. Oder gibt es auch dafür eine entlastende Dienstanweisung?

Stefan Sykora, Berlin-Mariendorf

Sehr geehrter Herr Sykora,

Sie haben Recht, Polizeibeamtinnen und -beamte müssen immer, gerade auch im Straßenverkehr, mit gutem Beispiel vorangehen. Jedoch: Was Ihre Tochter kürzlich beobachtet hat, stellt wohl keine Ordnungswidrigkeit des am Steuer telefonierenden Polizeibeamten dar. Da war die Auskunft der von Ihnen wegen der beabsichtigten Anzeige aufgesuchten Kollegin ganz richtig.

Allen Beamtinnen und Beamten der Behörden mit Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben gestattet der Gesetzgeber durchaus, am Steuer zu telefonieren, wenn es „zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist“. Dies wird geregelt im § 35 StVO, in dem es um die so genannten Sonderrechte geht. Dass ein Beamter gerade gezwungen ist, Sonderrechte in Anspruch zu nehmen, ist für den beobachtenden Verkehrsteilnehmer nicht immer zu erkennen. Denn hierfür ist nicht zwangsläufig das gleichzeitige Verwenden des Blaulichts oder des Martinshorns nötig. Die Sonderrechte kommen immer dann zum Tragen, wenn ein Einsatzerfolg bei Wahrung aller verkehrsrechtlichen Vorschriften (also auch bei der des „Handyverbots“) gefährdet wäre.

Für die Polizei gilt hier dasselbe wie beispielsweise für die Feuerwehr: Die Beamtinnen und Beamten gehen mit dieser Regelung verantwortungsvoll um. Denn selbstverständlich sind Einsatzbeamtinnen und -beamte im selben Maße in ihrer Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt, wie es auch alle anderen Verkehrsteilnehmer sind, die ohne Freisprecheinrichtung am Steuer telefonieren. Bei einer groben Fehleinschätzung bezüglich der Sonderrechte müssen Beamtinnen und Beamte neben der Ahndung der Ordnungswidrigkeit auch mit der Einleitung disziplinarer Ermittlungen rechnen.

Gerd Neubeck ist Polizei-Vizepräsident in Berlin

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