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Meinung: Trödelmarkt ist Demokratie

„Ostern und Pfingsten darf Berlin nicht trödeln“ vom 7. März Ostern und Pfingsten darf die letzte Wochenendattraktion, die Berlin verblieben ist – und eine gewaltige!

„Ostern und Pfingsten darf Berlin nicht trödeln“ vom 7. März

Ostern und Pfingsten darf die letzte Wochenendattraktion, die Berlin verblieben ist – und eine gewaltige! – nicht mehr geöffnet sein: der Trödelmarkt auf der Straße des 17. Juni!

Verhängt hat das Verbot die Senatsverwaltung für Gesundheit. Und, liest man: auch die christlichen Kirchen, diese heute oft so vergeblichen Besucher-Sucher, wünschen – denn immerhin: befehlen können sie das ja nicht mehr, Gott sei Dank! –, dass jene, die bisher sonntags zum Floh- und Kunstmarkt gingen, stattdessen gefälligst die Gotteshäuser aufsuchen …

Unmöglich kann man mit einer solchen Albernheit um ihrer selbst willen seine Zeit vertun. Sie ist an sich keine Zeile wert.

Wert aber ist es, endlich bei diesem Anlass einmal die Frage aufzuwerfen: Ist es Demokratie, die einen Amtsinhaber „ermächtigt“, seiner Willkür freien Lauf zu lassen und Berlinern und Touristen das seit Jahren meistbevorzugte ihrer Sonntagsvergnügen ausgerechnet dann, wenn sie mehr Zeit haben als während des ganzen Jahres, einfach wegzunehmen? Einfach heißt: aus nur vorgeschobenen „Gründen“, sprich: völlig grundlos!

Übrigens auch Bäckereien müssen nun an diesen vier Sonntagen geschlossen bleiben in Berlin: Wer sich morgens frische Brötchen holen will, kann offenbar kein gläubiger Christ sein … der Wirtschaftsexperte der FDP im Abgeordnetenhaus kommentierte: „Dann müssen wir also unsre Brötchen an der Tankstelle kaufen!“

Denn Tankstellen, Zeitungskioske und Apotheken dürfen offen haben – doch schon Blumenläden nicht: Blöde Schikane als Amtsmissbrauch ist selten so drastisch deutlich geworden wie hier…

Könnte es nicht z.B., sein, dass jemandem, der einen Kranken besuchen will, dem ein Nächster starb, der Kauf von Blumen wichtiger ist als der von Zeitungen?

Man muss nur diese eine Frage stellen – um zu sehen, wie aus der Luft gegriffen diese ganze Anordnung ist … Wie neidisch wird man als Deutscher auf die Eidgenossen, die eine direkte Demokratie haben: Undenkbar, dass in der freien Schweiz stupider Behörden-Eifer und die uns Deutschen eingefleischte Sucht, Mitmenschen zu reglementieren, derart ausarten könnten! Denn das Referendum, also die Basisdemokratie macht es seit 1845 in der Eidgenossenschaft unmöglich, dass Amts-Schikanen sich derart austoben: Ob dort, ob Kantons- Hauptstadt – schon die amtlich verbrieften Gemeinde-Versammlungen können alle Beamten-Einfälle diskutieren, und – sollten sie so albern wie dieser sein – einfach wegstimmen!

Rolf Hochhuth, Berlin-Mitte

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