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Meinung: Unser Kind war gewollt – aber nicht bestellt

„Bestellte Kinder“ von Verena Friederike Hasel vom 28. Dezember Lange hatten mein Mann und ich mit uns gerungen, unsere persönliche Geschichte der Familiengründung mit Spendersamen einer Journalistin zu erzählen.

„Bestellte Kinder“

von Verena Friederike Hasel

vom 28. Dezember

Lange hatten mein Mann und ich mit uns gerungen, unsere persönliche Geschichte der Familiengründung mit Spendersamen einer Journalistin zu erzählen. Als Teil einer gesellschaftlich nicht geachteten Gruppe steht man nicht gern im Rampenlicht. Und dennoch: „Wir können die Lage nicht ändern, wenn wir weiter schweigen“, sagten wir uns.

Deshalb erzählten wir unsere Geschichte einer Journalistin des Tagesspiegel. Was dabei herausgekommen ist, war kurz nach Weihnachten ein Artikel mit der Überschrift: „Bestellte Kinder - Generationen ohne Väter“. Dieser Artikel war nicht nur eine verzerrte Darstellung der Realität und eine Verletzung für unsere Familie. Er widerspiegelte ganz treffend das große Unverständnis unserer Umwelt. Die anderen Familien, mit denen wir uns regelmäßig in einem Internetforum austauschen, waren entsetzt und traurig. „Wir werden weiter schweigen“, wurde dort geschrieben, „so viel Unverständnis wollen wir unseren Kindern nicht antun.“ Wir denken, das kann nicht der richtige Weg sein.

In dem Beitrag wurde eine egozentrische Frau dargestellt. Eine, die rücksichtslos, auch gegenüber ihrem Mann, ihren Wunsch nach einem Kind durchsetzte. Ein Mann, der schweigt. Ein Kind, das Narrenfreiheit genießt. Nein, das ist unsere Familie nicht!

Ist es wirklich so überaus egoistisch, einen Kinderwunsch zu verwirklichen? Ein Kind, auch dann, wenn die Natur einem erst mal einen Strich durch die Rechnung macht? Für uns beide war dieser Wunsch fundamental. Mein Mann erzählte schon vor unserem Entschluss, zusammenzubleiben, mit leuchtenden Augen von seinem Sohn, mit dem er irgendwann Fußball spielen und zusammen zelten fahren wollte. Ich selbst habe von da an diesen Wunsch in mir wachsen sehen. Doch das Kind, das in unserer Fantasie schon Gestalt angenommen hatte, blieb aus.

Ein genetisches Problem stellte sich bei meinem Mann heraus. Keine eigene Schuld. Bald war klar, dass er keine Kinder zeugen konnte. Nach einer Zeit der Trauer schlug ich ihm die Familiengründung mit Spendersamen vor. Mein Mann brauchte nur eine kurze Zeit, um der Sache aus vollem Herzen zuzustimmen. Es war eine Entscheidung in gemeinsamer Verantwortung. Anders geht es auch nicht, denn schließlich sollen alle Familienmitglieder mit dieser vielleicht etwas ungewöhnlichen Situation glücklich werden.

Manch einer sagt, unfruchtbare Paare sollten besser ein Kind adoptieren. Das ist eine Möglichkeit und wird auch von vielen Paaren angestrebt. Wir haben diese Variante für uns persönlich nicht bevorzugt, da auch das Bedürfnis nach dem gemeinsamen Erleben einer Schwangerschaft und Geburt außerordentlich stark war. Eine Adoption in Deutschland ist überaus schwierig zu realisieren. Da für ein einziges Adoptivkind ca. 13 Wunschelternpaare auf der Warteliste stehen, sahen wir keine zu adoptierenden Kinder, die unbedingt uns brauchten. Wer das als puren Egoismus deklarieren will, der möge sich bitte dazu entscheiden, auch als fruchtbares Paar freiwillig auf seine Fortpflanzung zu verzichten.

Heute sind wir eine Familie, eigentlich wie jede andere. Wir haben einen wunderbaren Sohn, den wir so respektieren, wie er ist. Ja, er sieht seinem Papa nicht unbedingt ähnlich, er teilt auch nicht alle Hobbys mit uns. Aber welches Kind tut das schon? Wichtig ist, dass wir ihn über alles lieben und für ihn da sind. Dass wir ihm die Chance geben, sich entsprechend seinen ganz persönlichen Interessen und Fähigkeiten zu entwickeln. Und das tun wir. Wir lieben ihn so, dass wir uns heute sagen: „Gut, dass alles so gekommen ist. Sonst hätten wir nicht ausgerechnet DIESES Kind!“ Wir wollten unseren Sohn zuerst nicht über seine Entstehungsart aufklären, weil wir glaubten, das wäre nicht gut für ihn. Heute sind wir besser informiert und wissen, dass Menschen, die nach donogener Insemination entstanden sind und das vielleicht durch einen Zufall erst als Jugendliche oder Erwachsene erfahren, sich belogen fühlen und das Vertrauen verlieren. Das wollen wir unserem Sohn ersparen und werden ihn deshalb mit dem Wissen um seine besondere Geschichte aufwachsen lassen. Erfahrungen anderer Familien zeigen, dass Kinder unter diesen Bedingungen gut mit ihrer Geschichte umgehen können. Oft wollen sie später allerdings wissen, wer ihr Erzeuger ist. Das jedoch ist in unserem Land schwierig. Die Schuld dafür liegt nicht so sehr bei den Ärzten oder bei den Spendern, sondern vielmehr bei unserem Gesetzgeber, der seit mindestens 1985 weiß, dass es in diesem Bereich keine hinreichenden gesetzlichen Regelungen gibt und der es trotzdem bis heute versäumt hat, zu handeln. Nach derzeitiger Rechtslage gehen Erzeuger, die sich gegenüber dem Kind outen, eine - wenn auch geringe - Gefahr ein, finanziell belangt zu werden. Eine solche Regelung tut keinem der Beteiligten gut und gehört daher schnellstens abgeschafft!

Schade, dass der Artikel den Anschein erweckte, als würde mein Mann den Erzeuger seines Sohnes ablehnen. Wir sind unserem Spender sehr dankbar. Mein Mann sagt, es ist für ihn lediglich nicht wichtig, ihn kennenzulernen. Wenn er aber eines Tages mit unserem erwachsenen Sohn vor unserer Tür stehen sollte, dann bittet er ihn gern auf ein Bier herein.

Schade auch, dass die Ärzte mal wieder so negativ dargestellt wurden. Begriffe wie „unsanft“ und „eher ein Kampf“ passen nicht zu der Art, wie damals in der Praxis von Dr. Peet mit uns umgegangen wurde. Vielmehr hat man sich dort stets darum gesorgt, uns die Sache so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich möchte das gern betonen, denn es ist unfair, wenn Medien immer wieder „den Ärzten“ den schwarzen Peter zuzuschieben, der eigentlich in die Hand unserer desinteressierten Politiker gehört.

„Bestellte Kinder?“ Nein, wir haben unser Kind nicht wie eine Ware bestellt. Unter einer solchen Bezeichnung möchten wir nie wieder unsere Geschichte in einem Zeitungsartikel lesen. Wir haben auf unserem Weg zum Wunschkind die freundliche Hilfe eines Reproduktionsmediziners und die eines Unbekannten erhalten. Dafür danken wir beiden.„Generationen ohne Väter?“ Nein, unfruchtbare Männer sind mindestens genauso gute Väter, wie andere auch! Unser Sohn hat jedenfalls den besten Vater der Welt, wenn ich das mal so sagen darf. Unter den vielen Familien, die wir im Internet-Kinderwunschforum für donogene Insemination kennengelernt haben, ist keine einzige dabei, deren Kinder ohne Vater aufwachsen.

Die Familie möchte zum Schutz ihres Sohnes anonym bleiben. Die Namen sind der Redaktion bekannt.

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