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Meinung: Warum darf der Bürger beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur zahlen?

„Die Politik nickt ab – 95 Cent mehr im Monat für ARD und ZDF ab 2009“ vom 22. Januar Gewiss ist es so, dass es eine „Generaldebatte“ über die Gebührenhöhe und den Programmauftrag nicht gibt.

„Die Politik nickt ab – 95 Cent mehr im Monat für ARD und ZDF ab 2009“ vom 22. Januar

Gewiss ist es so, dass es eine „Generaldebatte“ über die Gebührenhöhe und den Programmauftrag nicht gibt. Nur – warum eigentlich ist das so?

Wir Mediennutzer und Gebührenzahler haben uns in die sehr bequeme Position des nörgelnden Beobachters zurückgezogen, der – meist – unzufrieden ist mit der Programmqualität und mit der Höhe der Gebühren sowieso. „Brisant“ ist zu viel Boulevard und „Aspekte“ hat zu schlechte Quoten, Sport kostet zu viel, aber billige Schmonzetten kritisieren wir als „Degetoisierung“, und so weiter.

Dabei liegt das eigentliche Problem ganz woanders. Wir klagen über den zu starken Einfluß der Politik, aber wir überlassen der Politik diese Medien, ganz freiwillig und wie selbstverständlich. In all diesen öffentlich-rechtlichen Medien gibt es Verwaltungs- und sonstige Gremien, Beiräte jeglicher Art, in denen, wie es heißt, „alle gesellschaftlich relevanten Gruppen“ vertreten sind. Gremien und Beiräte, denen wir die notwendigen Debatten überlassen. Gremien, bei denen niemand wirklich weiß, wer da hinein welche Person mit welchem Ziel (und welcher Qualifikation) entsandt hat. Gremien, von denen keiner wirklich weiß, wie sie arbeiten. Gremien, die letztlich und ganz konkret auch niemandem wirklich rechenschaftspflichtig sind über ihre Arbeit, schon gar nicht uns.

Sind wir in Berlin-Brandenburg zufrieden mit dem RBB-Fernsehprogramm? Sicherlich nicht, jedenfalls sind die Einschaltquoten nicht überragend. Es geht mir nicht um das „Meckern“ mit den RBB-Leuten, sondern darum, dass wir Bürger doch gefordert sind, unsere Wünsche, Hoffnungen, Ansprüche, Erwartungen zu formulieren an einen Sender, der doch im Grunde „unser“ Sender sein sollte!

Die Diskussion darüber – so es sie überhaupt gibt – überlassen wir alle aber den „Gremien“. Warum eigentlich? Wo bleibt denn unser Selbstbewußtsein als – auch – der Finanzier des Ganzen? Wir können, nein: wir sollten uns doch durchaus selbst zu Wort melden! Nicht „gegen“ die Gremien oder an ihrer Stelle, sondern an ihrer Seite! Und natürlich nicht gegen die öffentlich-rechtlichen Journalisten, sondern mit ihnen.

Peter Kubisch, Strausberg

Sehr geehrter Herr Kubisch,

es ist immer leicht, auf Gremien zu schimpfen, wenn man deren Mitglieder und Arbeitsweise nicht kennt, wenn Verärgerung über gesendetes Programm hinzukommt und das alles auch noch mehr Geld kostet. Gewiss begründet sich ein Stück Unzufriedenheit im gesamtgesellschaftlichen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich nämlich im Unterschied zu den kommerziellen Anbietern an alle Zuhörer und Zuschauer zu richten hat, nicht nur an die unter marktwirtschaftlichen Aspekten interessanten Bevölkerungsgruppen. Also – Programm, das es allen recht machen soll! Selbstverständlich nur höchste Qualität bei Information, Beratung, Bildung, Kultur und Unterhaltung. Für die Inhalte dieses Vollprogramms sind Grundsätze verbindlich, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewähren - hehre Ziele, denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört uns, den Bürgern. Wir zahlen die Rundfunkgebühr. Die kostet weniger als eine gute Tageszeitung, und ihre jetzt von der KEF vorgeschlagene Erhöhung von 95 Cent liegt unter der Inflationsrate.

Inwieweit wir dabei Entscheidungen über den Rundfunk der Politik überlassen, liegt an uns selbst (ganz abgesehen davon, dass wir ja auch die Politik selbst bestimmen können). Also wachen Gremien über Meinungsfreiheit und Informationsvielfalt – und die des RBB sind nicht automatisch „politikbestimmt“, wenngleich die Politiker der gewählten Parteien in Berlin und Brandenburg zu den 30 Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen gehören, die im Rundfunkrat des RBB die Allgemeinheit zu vertreten haben. Im Rundfunkstaatsvertrag des RBB ist festgelegt, welche Gruppen ihre Vertreter in den Rundfunkrat entsenden können (Kirchen, Arbeitnehmerverbände, Unternehmerverbände, Beamtenbund, Rektorenkonferenz, Akademie der Künste, Künstlerverbände, Sportbund, Wohlfahrtsverbände, Frauenrat, Jugendring, Kommunale Spitzenverbände, Rat der Bürgermeister, Bauernverband, IHK, Handwerkskammern, Sorben, Ausländische Bevölkerung, Naturschutzverbände, Elternausschuss). Die meisten dieser Rundfunkratsmitglieder verfügen über Medienerfahrung oder sind sogar selbst in ihrer Gruppe als Mediensprecher tätig. Anders wäre monatlich qualifizierte Programmbeobachtung und -analyse im Programmausschuss nicht möglich, anders könnte auch der Haushalts- und Finanzausschuss des Rundfunkrates keine Entscheidungen über finanzielle Rahmenbedingungen der Programme treffen.

Probleme gibt es, und sie lassen sich nicht immer generell lösen – etwa die Gewichtung zwischen Programmen für große und kleine Zielgruppen, unterschiedliche Interessen der Brandenburger, der Berliner und der Bewohner der Randgebiete, ein profilierter RBB-Anteil im ARD-Programm oder die Akzeptanz teurer Sportrechte für die ARD. Schneller führen Diskussionen mit Programmverantwortlichen zum Ziel, wenn eine konkrete Sendung auf Kritik stößt oder sich ein Programmschema in der Praxis nicht bewährt.

Im vergangenen Jahr wurde die Intendantin Dagmar Reim mit überwältigender Mehrheit vom RBB-Rundfunkrat wieder gewählt, ihr Kurs einschließlich des Sparpaketes bis 2009 bestätigt. Nun gilt es, fantasievoll gutes Programm anzubieten und verantwortungsvoll mit weniger Geld umzugehen. Rundfunkratsmitglieder gucken viel fern und hören viel Radio, sie nehmen jede Anregung anderer Zuhörer und Zuschauer gern auf – denn die Rundfunkratssitzungen sind öffentlich!

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Ulrike Liedtke,

Vorsitzende des RBB-Rundfunkrates

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