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Meinung: Werden unsere Ärzte zu schlecht bezahlt?

„Ärzte verschieben bundesweiten Streik in letzter Minute“ vom 14. Dezember 2005 Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln muss wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt haben für die bedauernswerten Geister, die sich nach mehr als 10-jähriger Aus- und Weiterbildung und tausenden unbezahlter Überstunden Nacht für Nacht übermüdet durch Krankenhausflure und OPs schleppen für einen immer weiter gekürzten Nettolohn, zu dem kein Bauarbeiter mehr auf der Baustelle erscheinen würde.

„Ärzte verschieben bundesweiten Streik in letzter Minute“ vom 14. Dezember 2005

Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln muss wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt haben für die bedauernswerten Geister, die sich nach mehr als 10-jähriger Aus- und Weiterbildung und tausenden unbezahlter Überstunden Nacht für Nacht übermüdet durch Krankenhausflure und OPs schleppen für einen immer weiter gekürzten Nettolohn, zu dem kein Bauarbeiter mehr auf der Baustelle erscheinen würde.

Dr. jur. Christian Schulte, Berlin-Frohnau

Für die Behandlung eines gesetzlich versicherten Patienten erhalten wir heute nur noch zirka fünfzig Prozent (!) der Vergütung, die noch vor zirka zehn Jahren gezahlt wurde. Die durchschnittliche Rechnungshöhe bei privat versicherten Patienten hat sich dagegen in diesen Jahren bei uns praktisch nicht verändert. Sie hat sich aber auch nicht erhöht!

Nicht die scheinbar ungerechtfertigte hohe Vergütung durch die Privatversicherungen ist also das Problem, sondern die massive Absenkung der Vergütung des einzelnen Arztes im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung.

Es ist kaum glaublich, aber wir müssen feststellen, dass die große Zahl unserer privat versicherten Patienten uns überhaupt erst eine gute und den Qualitätsstandards entsprechende Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten ermöglicht.

Wenn diese so genannte Quersubventionierung – bundesweit über acht Milliarden Euro/Jahr – wegfiele, ist dieses heute erreichte Versorgungsniveau ganz sicher nicht weiter aufrecht zu erhalten. Die Lösung kann also nur in einer besseren finanziellen Ausstattung der ambulanten Versorgung von gesetzlich Versicherten liegen.

Dr. med. Klaus Pilaski, Berlin-Buckow

Sehr geehrter Herr Dr. Schulte,

sehr geehrter Herr Dr. Pilaski,

die Forderung der Krankenhausärzte nach dreißig Prozent mehr Gehalt klingt vielleicht überzogen, ist aber berechtigt. Die Ärzte wollen damit Einkommensverluste ausgleichen, die ihnen in den letzten Jahren durch die Krankenhäuser zugemutet wurden. Die Statistik belegt, dass das durchschnittliche reale Monatsnettoeinkommen junger Krankenhausärzte bis 35 Jahre in der Zeit von 1993 bis 2002 kontinuierlich gesunken ist, von 2170 Euro auf 2009 Euro. Das Gehaltsniveau deutscher Krankenhausärzte liegt damit am unteren Ende der Einkommensskala von Ärzten in westeuropäischen Ländern. Auch sind andere im öffentlichen Dienst beschäftigte junge Akademiker in Deutschland besser gestellt als junge Ärzte. Während junge Ärzte Einkommenseinbußen hinnehmen mussten, konnten andere Akademiker der gleichen Altersgruppe bis 35 Jahre im selben Zeitraum einen Lohnzuwachs von drei Prozent, die Gesamtheit aller Erwerbstätigen einen Lohnzuwachs von sechs Prozent verbuchen.

Zwar wurde ab dem 1. Oktober 2004 die 18 Monate dauernde Pflichtzeit als „Arzt im Praktikum“ abgeschafft. Doch auch bei direkter Beschäftigung als Assistenzarzt und der entsprechend höheren Bezahlung liegt der durchschnittliche Stundenlohn bei etwa 14 Euro brutto. Würde man die unbezahlten Überstunden und ungezählten Bereitschaftsdienste mit einrechnen, kämen viele Ärzte auf einen Stundenlohn von lediglich 2,92 Euro. Solche Bedingungen gehen sogar noch weit über die Merkmale von Billiglohnjobs hinaus.

Die niedergelassenen Ärzte sehen sich ebenfalls mit enormen Honorareinbußen konfrontiert. Denn im Durchschnitt werden fast 60 Prozent der von den Krankenkassen gezahlten Gesamtvergütung verwendet, um Praxispersonal, Praxisräume, medizintechnische Ausstattung und Sachkosten zu finanzieren. Doch während die Betriebsausgaben in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind, hält die Höhe der Gesamtvergütung damit nicht Schritt. Hausärzte haben daher eine besonders schwierige Einkommenssituation. Niedergelassene Ärzte erbringen generell Leistungen für Millionen von Euro, die nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Dieser Finanzbedarf würde den Kassen entstehen, wenn alle erbrachten ärztlichen Leistungen mit dem eigentlich zugesicherten Punktwert von 5,11 Prozent erbracht worden wären. Es wird auch immer noch behauptet, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mehr als 90 Prozent der Gesundheitseinrichtungen finanziere und die Selbstzahler (Privatversicherten) nur 10 Prozent. Das ist falsch. Die GKV versichert zwar 92 Prozent unserer Bürger, trägt aber nur zu ca. 60 Prozent zur Finanzierung der Gesundheitseinrichtungen bei, die Selbstzahler hingegen zu ca. 14 Prozent – der Rest wird durch Honorarverzicht der niedergelassenen Ärzte und Nichtbezahlung geleisteter Arbeit der Krankenhausärzte finanziert.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe,

Präsident der Bundesärztekammer, Berlin

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