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Meinung: Wo bleibt die Solidarität in der Gesellschaft?

Betrifft: „Sie tun nicht, was sie wissen“ vom 30. Oktober 2002 Sicherlich ist vieles sowohl in der Berichterstattung darüber, als auch in der Regierungserklärung, in der der Bundeskanzler dem Sozialstaat adé sagt, völlig gerechtfertigt.

Betrifft: „Sie tun nicht, was sie wissen“ vom 30. Oktober 2002

Sicherlich ist vieles sowohl in der Berichterstattung darüber, als auch in der Regierungserklärung, in der der Bundeskanzler dem Sozialstaat adé sagt, völlig gerechtfertigt. Innovationen und in manchen Bereichen viel mehr Bewegung sind notwendig. Aber ein Wort fehlte in der Regierungserklärung: Solidarität. Der auf Solidarität, das heißt Gemeinsamkeit des Gebens und Nehmens, aufbauende soziale Zusammenhalt der Gesellschaft wird inzwischen sogar von der regierenden demokratischen Rechten in Frankreich beschworen. Mit viel Einfallsreichtum wird versucht, Menschen aus der Armutsfalle herauszuhelfen. Und in Großbritannien bekommt die LabourRegierung ihr Fett ab, weil unter ihrer Regierung die Reichen reicher werden und für die Armen und den unteren Mittelstand nichts übrig bleibt.

Dagegen verbreiten die Regierungserklärung und die journalistische Reaktion den Eindruck, es ginge heute in Deutschland tatsächlich noch darum, die soziale Hängematte abzuschaffen. Es „besser zu machen, ohne mehr zu haben“ kann keine Aufforderung an die sein, die sich vielfach nicht ohne Grund von der wohlhabenden Konsumgesellschaft ausgeschlossen fühlen. Gibt es in Deutschland vier Millionen Arbeitslose, zusätzliche Sozialhilfeabhängige und verkommende Regionen, weil das den Menschen so gefällt? Die Gesellschaft bietet einfach nicht genug vergütete Beschäftigung an, in einem Land, in dem Kinder ein Armutsrisiko darstellen und ErzieherInnen und KrankenpflegerInnen kaum über die Runden kommen.

Wer nach zwanzig Jahren drastischer Einkommensanstiege bei Industrie, Gewerbe und Selbstständigen am deutlichsten unten kürzen will, sollte sich über die Folgen Gedanken machen. Sicherlich ist es dabei nicht mit der Einführung der Solidarität in den politischen Jargon getan. Auch dieser Begriff müsste von der politischen Philosophie und Praxis neu angefüllt werden. Vielleicht wäre das ein Projekt für eine rot-grüne Koalition, die tut, was sie weiß.

Thomas Knorr-Siedow, Berlin-Mitte

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