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Meinung: Zweifelhafte Ehrenrettung

„Die Wahrheit über unseren Benedikt“von Martin Lohmann vom 15. FebruarHerr Lohmann beklagt das Fehlen bzw.

„Die Wahrheit über unseren Benedikt“

von Martin Lohmann vom 15. Februar

Herr Lohmann beklagt das Fehlen bzw. die Fehlinterpretation von Fakten in der Berichterstattung über den Papst, bringt aber selbst keinerlei Fakten an. Das wirkt insgesamt ziemlich unglaubwürdig und wenig überzeugend. Lohmann spricht beispielsweise recht nebulös von „Fehlentwicklungen“ unter Benedikt XVI. und fragt: „Muss man ihm das übel nehmen, ihm dafür böse sein?“ – Nicht nur hier bedient er sich einer unstatthaft persönlichen Sprache, geht es doch nicht um Befindlichkeiten, sondern um (kirchen-)politische Entscheidungen, für die im Vatikan wie überall sonst letztlich das Oberhaupt geradestehen muss.

Insgesamt liest sich Lohmanns Text wie eine allzu larmoyante Verteidigung für einen guten Bekannten, dessen vermeintliche Schmähungen der Autor offensichtlich als persönliche Beleidigung empfindet, und so schreibt er auch: beleidigt und verletzt einerseits, im höchsten Maße verzückt und verklärend andererseits. Diesen Ton kennt man zur Genüge von Spielplätzen verschiedenster Art, von Internetforen, von kuschelpädagogischen Interventionsversuchen im Sandkasten à la „Finn-Lukas, der Jerome ist bestimmt ganz traurig, wenn du ihm mit dem Holztraktor auf den Kopf haust“ oder von emotional hoch engagierten Beiträgen auf Youtube und Co., in denen Fans empört oder Rotz und Wasser heulend ihre Idole verteidigen.

Aber hier geht es nicht um Tokio Hotel oder Britney Spears, sondern um das Oberhaupt einer der mächtigsten Organisationen der Welt. Auch George W. Bush wurde ganz offensichtlich schlecht beraten und fehlinformiert, aber kein halbwegs seriöser Schreiberling hätte öffentlich Verständnis und Nachsicht für ihn gefordert, weil manche seiner Leute ihn „schon wieder so sträflich reinreiten“.

Lohmann plädiert hier dafür, dass man doch mal ein Auge zudrücken müsse, wenn der arme alte Mann von seinen Mitarbeitern betuppt wird und über kein funktionierendes Frühwarnsystem verfügt. Dass er den Papst damit letztlich als hilfloses Opfer der Umstände hinstellt, das offensichtlich überfordert und nicht in der Lage ist, die Fäden in der Hand und den Überblick zu behalten, widerspricht seinen sonstigen Lobeshymnen auf Benedikt, dessen Intellekt, Scharfsinn und Mut er zu preisen nicht müde wird. Ob der Papst für diese zweifelhafte Ehrenrettung wohl dankbar wäre? Aber Benedikt ist ja Kummer gewohnt: „Ratzinger konnte leiden. Der Papst kann es auch.“

Gerke Schlickmann, Berlin-Neukölln

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