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Angela Merkel an der Seite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.

© Reuters

Libyen-Enthaltung: Gewappnet für einen Krieg in Nahost?

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) befördert Spekulationen über die tatsächlichen Hintergründe der deutschen Libyen-Enthaltung. Ist das deutsche Nein zu Bengasi in Wahrheit ein Ja zu Israel?

Von Hans Monath

Bis heute hat die Regierung keinen ernsthaften Versuch unternommen, den Eindruck zu zerstreuen, sie habe mit der Entscheidung gegen ein Eingreifen in Libyen außenpolitische Grundsätze verraten. Aber ihre Motive vom März erklären wollen die Beteiligten auch nicht, sie wollen nur noch nach vorne schauen.

Nur ein außenpolitisches Dogma, das Angela Merkel selbst immer wieder bekräftigt, schien nach der Enthaltung im Sicherheitsrat intakt geblieben: Deutschland muss Israels Existenz verteidigen, wenn diese in Gefahr gerät. Bei Libyen wachsweich, bei Israel felsenfest, das waren zwei verschiedene Diagnosen. Niemand kam auf die Idee, das eine mit dem anderen in Verbindung zu bringen. Nun hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), ein enger Vertrauter Merkels, nahegelegt, dass ausgerechnet Merkels Ja zu Israel zu ihrem Nein zu Bengasi geführt hat.

Doch der Reihe nach. Am Dienstagabend stellte ein gut gelaunter de Maizière in Berlin das Buch des „Zeit“-Journalisten Bernd Ulrich „Wofür Deutschland Krieg führen darf“ vor, dessen Thesen er mit freundlichem Nachdruck widersprach. Den Vorwurf, aus Müdigkeit den Hang der Deutschen zum Pazifismus befördert zu haben, wollte er nicht stehen lassen.

Dann fragte ein Journalist der Tageszeitung „Welt“ den Minister, ob nicht Merkels Versprechen zur Verteidigung der Existenz Israels ein Motiv für das Libyen-Nein gewesen sei. Schließlich würde es ihr leichter fallen, die Zustimmung der Deutschen zu einer Militäraktion gegen den Iran zu gewinnen, wenn sie vorher nicht jeden Militäreinsatz mitgemacht habe. Und habe sie nicht auch befürchtet, eigene militärische Kapazität in Libyen zu binden, die sie zur Verteidigung Israels bereithalten wolle?

Der Minister jedenfalls schüttelte nicht den Kopf und tat den Gedanken als Unsinn ab. Er meinte: "Eine sehr kluge Bemerkung. Mehr möchte ich dazu nicht sagen."

Diese Halbbestätigung provoziert geradezu Spekulationen über geheime Motive der Libyen-Entscheidung. Tatsache ist, dass Merkels Israel-Rhetorik schon lange so klingt, als werde die Bundeswehr auch dann in Marsch gesetzt, wenn Israel vorbeugend iranische Atomanlagen bombardiert und damit einen Krieg auslöst. Im März 2008 sagte sie vor der Knesset, dem israelischen Parlament, die Verantwortung für Israels Sicherheit sei Teil der deutschen Staatsräson. Sie fügte hinzu: "Und wenn das so ist, dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte sein." Zwei Jahre vorher hatte sie in der Debatte über das iranische Atomprogramm auf der Sicherheitskonferenz in München Parallelen zur Appeasement-Politik gegenüber Adolf Hitler gezogen. Gerade Deutschland sei verpflichtet, "den Anfängen zu wehren".

Seither hat es viele vergebliche Anläufe gegeben, von der Regierung zu erfahren, welche Konsequenz denn diese eisenharte Rhetorik im Ernstfall hat. Aber vielleicht gilt auch hier, was de Maizière in der Debatte über Ulrichs Buch sagte: Es ist immer besser, wenn der Gegner in einem Konflikt nicht weiß, womit er rechnen muss.

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